Sieh dich nicht um
»Ich habe neue Informationen im Fall Heather Landi, die ich Mr. Baldwin von der Bundesstaatsanwaltschaft persönlich mitteilen muß.«
Sie legte auf und eilte hinaus, da sie bereits spät dran war.
Kurze Zeit später griff eine Hand mit braunen Altersflecken nach dem noch warmen Telephonhörer.
Sandy Savarano führte nie Telephongespräche, die sich zurückverfo lgen ließen. Seine Taschen waren mit Vierteldollarmünzen gefüllt. Von diesem Telephon aus wollte er fünf Immobilienmakler anrufen, dann würde er von einem anderen Apparat weitere fünf Anrufe erledigen, bis er seine Liste der hiesigen Firmen abgehakt hatte.
Er wählte. »Downtown Realty«, meldete sich eine Stimme, und Savarano begann seinen Vortrag. »Wenn Sie einen Augenblick Zeit für mich hätten«, sagte er. »Ich arbeite für die Bundesvereinigung der Immobilienmakler. Wir führen eine telephonische Umfrage durch…«
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33
Bundesstaatsanwalt Gary Baldwin hatte Detective Ed Sloane bereits klargemacht, daß er für Dummheit wenig Verständnis hatte. Sloanes gestriger Anruf hatte ihn zur Weißglut gebracht: Mehrere Seiten aus Jimmy Landis Kopie des Tagebuchs seiner Tochter waren abhanden gekommen und zwar aus dem Polizeirevier! »Ein Wunder, daß Sie nicht alles verloren haben!«
tobte er. »Beim Original haben Sie es ja auch geschafft.«
Als Sloane vierundzwanzig Stunden später wieder anrief, hatte Baldwin noch einmal Gelegenhe it, seinem Ärger Luft zu machen: »Wir brüten stundenlang über der Kopie, die Sie uns gegeben haben, und dann müssen wir feststellen, daß uns einige Seiten fehlen. Und offenbar hatten die eine gewisse Bedeutung, denn sonst wäre niemand das Risiko eingegange n, sie aus Ihrem Büro zu stehlen! Wo haben Sie das Tagebuch eigentlich aufbewahrt? Am Schwarzen Brett? Und die Kopie? Auf der Straße? Vielleicht haben Sie ein Etikett draufgeklebt?
›Beweismaterial in einem Mordfall. Bitte bedienen Sie sich‹?«
Während Detective Ed Sloane sich die Gardinenpredigt anhörte, malte er sich aus, was er gerne mit Baldwin anstellen würde. Dabei mußte er an seinen Lateinunterricht auf der Xavier Military Academy zurückdenken. Anläßlich einer Predigt über eine schwere Sünde hatte der Apostel Paulus gemahnt: »Nec nominetur in vobis« – Ihr sollt sie nicht beim Namen nennen.
Das paßt, dachte Sloane. Was ich mit dir machen möchte, sollte auch lieber nicht beim Namen genannt werden. Aber er war selbst stinksauer darüber, daß sowohl das Original als auch möglicherweise einige Seiten der Kopie des Tagebuchs aus seinem verschlossenen Beweisschrank an seinem Arbeitsplatz auf dem Revier verschwunden waren.
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Es war eindeutig seine Schuld. Er hatte die Schlüssel für den Schrank an dem schweren Bund, den er in der Jackentasche bei sich trug. Und da er seine Jacke oft auszog, konnte buchstäblich jeder den Schlüsselbund aus der Tasche holen, einen Abdruck anfertigen und die Schlüssel zurücklegen, bevor ihm überhaupt auffiel, daß sie fehlten.
Nach dem Verschwinden des Originaltagebuchs hatte man die Schlösser ausgetauscht. Aber Sloane hatte seine Angewohnheit beibehalten, die Schlüssel in der Jacke zu lassen, wenn er sie über seinen Bürostuhl hängte.
Er wandte sich wieder dem Telephongespräch zu. Baldwin war die Puste ausgegangen, und Sloane ergriff die Gelegenheit, auch mal was zu sagen. »Sir, ich habe den Vorfall gestern gemeldet, weil Sie darüber informiert werden mußten. Jetzt rufe ich an, weil ich offen gestanden nicht ganz sicher bin, ob Jimmy Landi in diesem Fall ein zuverlässiger Zeuge ist.
Gestern hat er zugegeben, daß er das Tagebuch nicht einmal überflogen hat, als Miss Farrell es ihm gab. Außerdem stand es ihm nur ungefähr einen Tag zur Verfügung.«
»So umfangreich ist das Tagebuch auch wieder nicht«, sagte Baldwin scharf. »Um es sorgfältig zu lesen, braucht man höchstens ein paar Stunden.«
»Aber er hat es nicht getan, und darauf kommt es an«, sagte Sloane voller Nachdruck und bedankte sich stumm bei Nick Mars, der ihm eben eine Tasse Kaffee hingestellt hatte. »Und er will Schwierigkeiten machen, einen Privatdetektiv auf die Sache ansetzen. Landis Partner, Steve Abbott, hat ihn zu dem Gespräch begleitet und sich furchtbar wichtig gemacht.«
»Ich mache Landi keinen Vorwurf«, gab Baldwin zurück.
»Und ein Detektiv könnte in diesem Fall nichts schaden, vor allem, da Sie anscheinend überhaupt keine Fortschritte machen.«
»Sie wissen genau, daß das nicht
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