Sieh dich nicht um
kannte. Die Antwort, die ich ihm gab, zufällig die Wahrheit, lautet nein, ich kannte sie nicht. Ich habe sie wie Hunderte, vielleicht Tausende andere
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Theaterbesucher in einem Musical gesehen. Wenn ich mir heute abend einen Film mit Robert De Niro anschaue, soll ich Ihnen dann sagen, daß ich ihn kenne?«
»In Ordnung, Miss Farrell, das hat etwas für sich«, sagte er ohne einen Funken Humor in der Stimme. »Also kamen Sie auf The Boy Friend zu sprechen. Und dann?«
Lacey umklammerte den Telephonhörer mit der rechten Hand, ballte die linke zur Faust, daß sich die Fingernägel in die Handfläche bohrten, und zwang sich, Ruhe zu bewahren. »Da Kate zum Ensemble gehörte, ging ich davon aus, daß sie Heather Landi kannte. Also horchte ich sie ein bißchen über Heather aus. Sie erzählte mir, daß Isabelle Waring alle Mitglieder des Ensembles gefragt hatte, ob Heathe r in den Tagen vor ihrem Tod beunruhigt gewesen sei, und wenn ja, ob sie eine Ahnung hätten, was der Anlaß dafür gewesen sein könnte.«
Baldwin klang nun etwas freundlicher. »Das war geschickt von Ihnen, Miss Farrell. Was hat sie gesagt?«
»Sie wiederholte, was auch Isabelle schon von Heathers Freunden gehört hatte. Ja, Heather war beunruhigt. Nein, sie hat mit niemandem über ihre Probleme gesprochen. Aber dann –
und das ist der Grund für meinen Anruf – sagte mir Kate, sie habe sich bei Heathers Mutter melden wollen, weil ihr noch etwas eingefallen sei. Kate war in letzter Zeit immer auf Tournee und wußte nicht, daß Isabelle tot ist.«
Wieder sprach Lacey langsam und überlegte sich jedes Wort.
»Kate Knowles hat einen Freund, der in New York lebt. Er heißt Bill Merrill und arbeitet als Investmentbanker bei Chase.
Offenbar ist er mit Rick Parker befreundet oder kennt ihn zumindest. Bill hat Kate erzählt, daß er sich in der Apres-Ski-Bar des großen Hotels in Stowe mit Heather unterhalten hat, und zwar am Nachmittag, bevor sie starb.. Als Rick hereinkam, brach Heather das Gespräch ab und verließ sofort darauf die
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Bar.«
»Ist er sicher, daß es der Nachmittag vor ihrem Tod war?«
»Kate zufolge, ja. So wie sie es verstanden hat, war Heather bei Ricks Anblick sehr erschrocken. Ich fragte, ob sie eine Ahnung habe, warum Heather so heftig reagiert hätte, und Kate erwiderte, Rick hätte Heather anscheinend übel mitgespielt, als sie vor vier Jahren nach New York zog.«
»Miss Farrell, ich möchte Ihnen eine Frage stellen. Sie haben etwa acht Jahre für Parker und Parker gearbeitet, und zwar für Rick Parker. Ist das richtig?«
»Ja, genau. Aber Rick war bis vor drei Jahren in unserem Büro in der West Side.«
»Verstehe. Und während dieser ganzen Geschichte mit Isabelle Waring hat er Ihnen gegenüber nie erwähnt, daß er Heather Landi möglicherweise gekannt hat?«
»Nein, das hat er nicht. Darf ich Sie daran erinnern, Mr.
Baldwin, daß ich meine derzeitige Lage dem Umstand zu verdanken habe, daß Rick Parker mir den Namen von Curtis Caldwell gena nnt hat, der angeblich Jurist bei einer angesehenen Anwaltskanzlei war? Rick ist der einzige im Büro, der mit dem Mann gesprochen hat – oder angeblich mit ihm gesprochen hat
–, der sich als Isabelle Warings Mörder erwies. Wochenlang habe ich die Wohnung verschiedenen Interessenten gezeigt und Rick davon erzählt, daß Isabelle Warings Gedanken fortwährend um den Tod ihrer Tochter kreisten. Hätte Rick unter diesen Umständen nicht erwähnen müssen, daß er Heather kannte? Ich denke schon«, erklärte sie mit Nachdruck.
Ich habe das Tagebuch am Tag nach Isabelles Tod der Polizei übergeben, dachte Lacey. Damals habe ich behauptet, ich hätte Jimmy Landi wie versprochen eine Kopie gegeben. Habe ich auch erwähnt, daß Isabelle mich gebeten hatte, es zu lesen?
Oder habe ich gesagt, ich hätte einen Blick darauf geworfen? Sie rieb sich die Stirn und überlegte angestrengt.
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Hoffentlich fragt mich niemand, mit wem ich das Musical besucht habe. Der Name Tom Lynch steht im Tagebuch und kommt ihnen gewiß bekannt vor. Und dann liegt der Schluß nahe, daß es sich hier nicht um einen Zufall handelt.
»Lassen Sie mich noch einmal die Fakten wiederholen«, sagte Baldwin. »Sie sagen, der Mann, der Rick Parker in Stowe sah, ist ein Investmentbanker namens Bill Merrill, der bei Chase arbeitet?«
»Ja.«
»Und Miss Knowles hat Ihnen all dies bei Ihrer zufälligen Begegnung von sich aus verraten?«
Lacey riß der Geduldsfaden. »Mr. Baldwin, um an diese
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