Sieh dich um: Thriller (German Edition)
Immobilienmagnat blies eine riesige Wolke duftenden blauen Qualms aus und genoss den süßen Geschmack des teuren Tabaks auf dem Gaumen, während er einmal mehr darüber sinnierte, wie weit er es im Leben gebracht hatte. Und das nach einer harten Jugend im Hexenkessel der Straßen von Brooklyn und einer Kindheit voll aufgescheuerter Knie und blau geschlagener Augen. Doch statt sich je wegen seiner vielen Verletzungen zu schämen, hatte O’Hara sie voll Stolz als sichtbare Zeichen seines Kampfgeistes getragen. Jeder Kratzer, jede kleine Schramme glich einem Ehrenabzeichen, das jeden in seiner Welt wissen ließ, mit wem er es zu tun hatte, nämlich mit jemandem, der bereit war, für das, was er wollte, in den Krieg zu ziehen. Mittlerweile jedoch hatten sich die Dinge für ihn eindeutig geändert.
Nach all den Jahren, in denen er sich nach oben durchgeschlagen hatte, konnte sich O’Hara endlich zurücklehnen und die Früchte seiner Arbeit genießen. Verdammt, er hatte es sich verdient ! Und vielleicht war ein Anteil von einundfünfzig Prozent an den Zigarren als Ziel noch viel zu niedrig angesetzt. Vielleicht sollte er höher zielen, auf etwas, das schwerer zu erreichen war, beispielsweise darauf, jede einzelne Behike weltweit zu besitzen. Warum auch nicht? Es würde einiges an Zeit und Arbeit kosten, keine Frage, aber es gab nicht viele Menschen auf der Welt, die ihn davon abhalten konnten, ein Ziel zu erreichen, das er sich in den Kopf gesetzt hatte – allenfalls jemand wie der höchst angesehene Mann, der neben ihm saß.
O’Hara hatte in der Vergangenheit erheblich schwierigere Unterfangen erfolgreich abgeschlossen. Erst kürzlich hatte er einer halsstarrigen Familie in der Bronx die Mehrheitsanteile an einer Reihe von Supermärkten abgerungen, obwohl die Familie kein Interesse gezeigt hatte, sich von ihren Aktien zu trennen.
Er hatte im Grunde genommen die gleiche Strategie benutzt wie vor fünfzig Jahren, als er und seine hungrigen Freunde sich wenig zimperlich um die sturen, unkooperativen Geschäftspartner seines Vaters gekümmert hatten, auch wenn diesmal ein Geflecht von Strohmännern als Abschirmung gedient hatte. Wenn es eine Lektion gab, die Edward O’Hara im Leben gelernt hatte, dann die, dass die Menschen dazu neigten, einen erst dann richtig ernst zu nehmen, wenn das, was man ihnen zu sagen hatte, mit ein paar gebrochenen Knochen unterstrichen wurde.
Eine Woge von Wärme stieg bei der angenehmen Erinnerung in ihm auf. Nicht einmal die siebzehnjährige Tochter der Familie hatte sich aus den Verhandlungen heraushalten wollen, und infolgedessen lag sie nun in einem Krankenhaus in Manhattan, wo sie sich von ihren brutalen, nicht unerheblichen Verletzungen erholte.
O’Hara grinste innerlich bei dem Gedanken daran, wie seine Männer dem Mädchen zunächst die langen, blonden Haare abgeschnitten und ihm hinterher ein wunderbares Foto ihrer Erniedrigung hatten zukommen lassen, eine köstliche Erinnerung an die Begebenheit. Dann jedoch schüttelte er den Kopf und riss sich von seinen Erinnerungen los, um sich auf die aktuelle Angelegenheit zu konzentrieren. Auch wenn jene Verhandlungen zu seinen Gunsten verlaufen waren, hatten sie keine Bedeutung für die Gegenwart, oder? Natürlich nicht. Er widmete dem gegenwärtigen Thema nicht die Aufmerksamkeit, die es erforderte, und das war ein gefährliches Zeichen. Er wusste, dass er seine Sinne beisammenhalten musste, wollte er im Spiel bleiben. Das war im Umgang mit einem Mann von Sergej Michalovics wechselhaftem Charakter lebensnotwendig. Der Russe mochte ein umgängliches Auftreten haben, aber O’Hara wusste, dass sein Freund genauso skrupellos sein konnte wie er selbst, wenn die Situation es erforderte. Sogar noch skrupelloser. Trotzdem war er besser – was Michalovic schon bald herausfinden würde.
O’Hara zwang seine Gedanken in die richtigen Bahnen zurück. »Wie dem auch sei …«, fuhr er fort, »… da der Einsatz von zehn Millionen Dollar für den Gewinner des Wettbewerbs treuhänderisch von der zuvor gemeinsam bestellten Drittpartei verwaltet wird, ist die Ausschüttung der Mittel sichergestellt. Nicht schlagende Züge werden über die Kleinanzeigen der New York Times bekannt gegeben. Schlagende Züge sollten für den Gegenspieler recht offensichtlich sein. Vergessen wir nicht: Die Meldung muss spätestens im B-Abschnitt der Zeitung erscheinen. Offenbar ist der junge Richard Garcia für unser spezielles Gebiet zuständig. So kann er seine
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