Sieh dich um: Thriller (German Edition)
zu ihrem Partner umdrehte. »Was hältst du davon, wenn wir zum Mittagessen in dieses neue Thai-Restaurant gehen, an dem wir unterwegs hierher vorbeigekommen sind?«, fragte sie ihn. »Ich bin am Verhungern, und ich hätte Lust auf etwas Exotisches.«
Brown nickte. »Du hast meine Gedanken gelesen.«
Dana klappte den Deckel ihres Computers zu und kletterte nach vorn, um sich hinter das Lenkrad zu klemmen. Sie startete den Motor, legte den Gang ein und manövrierte den Lieferwagen in den starken Verkehr der geschäftigen Straße. Als Brown auf dem Beifahrersitz Platz nahm und den Gurt anlegte, erwähnte Dana nicht, dass seine Gedanken nicht das Einzige waren, das sie in letzter Zeit von ihm gelesen hatte. Welchen Sinn hätte es auch gehabt?
Soweit es Dana betraf, brachte es keinerlei Vorteile, ihm mitzuteilen, dass sie kürzlich in Quantico auch seine Akte gelesen hatte.
Die Akte, aus der hervorging, dass Jeremy Brown immer noch verheiratet war.
23
Samstag, 9:15 Uhr
Nach ihren jeweiligen Eröffnungszügen wechselten sich Michalovic und O’Hara dabei ab, Bauern zu bewegen. Für Michalovic war es Anna Baker, eine Sozialarbeiterin mit einem Herzen aus Gold und einem dicken Bankkonto, die mit ihren sechs Katzen in überraschend bescheidenen Verhältnissen in einem Apartmentkomplex in der 832C Street in Manhattan lebte.
Da Samstag war, wusste Michalovic, dass Baker zu Hause sein würde. Die alte Frau, die keine Familie in der Nähe hatte, verließ ihre Wohnung kaum noch, außer für die regelmäßigen Tierarztbesuche und ihre freiwillige Arbeit beim Kinderwohlfahrtsprogramm der Stadt New York, einer gemeinnützigen Organisation, die vom milliardenschweren Investor George Soros unterstützt wurde. Selbst ihre Lebensmittel ließ sich Anna Baker nach Hause liefern – pünktlich wie ein Uhrwerk jeden Freitagabend um neunzehn Uhr brachte ein junger Mann mit einer umgedrehten Baseballmütze ihre Einkäufe. Somit musste sie nie hinaus auf die gefährlichen Straßen der Stadt, es sei denn, sie entschied sich aus freien Stücken dazu.
Leider oblag ihr diese Entscheidung nicht mehr.
Baker gehörte im wahrsten Sinne des Wortes altem Geldadel an und hatte ihr Vermögen auf die altmodische Art erworben: indem sie es geerbt hatte. Daher erschien es eigenartig, dass sie ausgerechnet für George Soros arbeitete, einen Mann, der mit rein gar nichts angefangen, diesen Umstand jedoch weit besser behoben hatte als die meisten Menschen vor ihm.
Beim Gedanken an Soros musste Michalovic nachdenklich über die Widersprüchlichkeit der Vereinigten Staaten von Amerika lächeln. Manchmal schien dieses großartige Land, das beste Land der ganzen Welt, das er inzwischen seine Heimat nannte, einfach keinen Sinn zu ergeben, ganz gleich, wie sehr er sich bemühte, es zu verstehen.
Was die Dinge noch interessanter machte – Michalovic und Soros hatten so etwas wie eine gemeinsame Geschichte. Soros – der als der Mann bekannt geworden war, der die Bank von England in die Pleite getrieben hatte, als er bei der Währungskrise am Schwarzen Mittwoch 1992 angeblich eine Milliarde Dollar verdient hatte – und Michalovic hatten eine Art Sport daraus entwickelt, es dem anderen auf Heller und Pfennig gleichzutun, wenn es um Spenden für Wahlkampfkampagnen ging. Während Soros meist die Demokraten und andere liberale Strömungen finanzierte, zog Michalovic die Republikaner vor, die politische Partei, die den Reichen eine geringere Steuerlast aufbürdete. Ihm erschien das nur logisch zu sein – doch wer war er schon, um sich zum Richter aufzuschwingen? Offensichtlich kam Soros wunderbar zurecht. Einmal hatten sich die beiden Milliardäre auf einer Gala zu Ehren eines kenianischen Diplomaten getroffen und sogar über ihren ständigen Schlagabtausch gelacht, zumal sie beide wussten, dass sie damit wenig mehr bewirkten, als ihre Spenden gegenseitig zu egalisieren.
Soros hatte allerdings einen überaus triftigen Grund dafür, sein Geld so einzusetzen, wie er es tat. Nachdem er seine Jugend im von den Nazis besetzten Ungarn überlebt hatte, war er 1956 nach New York gezogen und zu einem der reichsten Männer der Geschichte geworden. Sogar reicher als Michalovic, was eindeutig eine reife Leistung darstellte.
Michalovic hingegen besaß keine solchen Empfindsamkeiten. Sein Herz war hart wie Stahl – und genauso kalt. So war es schon gewesen, als er als junger Mann durch die Straßen von Moskau lief und gefälschte Parfums, Handtaschen und Uhren an
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