Sieh mich an, Al Sony
langsam und lässig, um auf dem Weg zur Tür seine Zigaretten und sein Dunhill-Feuerzeug einzusammeln. Vor der Wohnungstür drehte er sich um und hob die rechte Hand, fast als wolle er sich von Shinichro verabschieden. Shinichro rührte sich nicht, und sein Gesichtsausdruck änderte sich nicht wie der meine, als mir vor Entsetzen der Kiefer herunterklappte. Seine Augen beobachteten wie die meinen die Pistole. Pal fing an zu grinsen, als sei das alles ein Riesenwitz, aber seine blauen Augen lachten nicht wie sonst.
»Bye-bye, Japan«, sagte er, und der Schlagbolzen klickte auf eine leere Kammer.
Ich setzte mich hin, als die Tür sich geschlossen hatte, und hielt mir mit beiden Händen den Kopf. Der stampfende Beat der Musik hörte plötzlich auf; er hinterließ einen Nachhall in meinem Schädel und Stille im Zimmer. Shinichro rührte sich mindestens fünf Minuten lang überhaupt nicht. Er stand da und betrachtete irgendeinen Punkt vor sich, bevor er sich in Bewegung setzte, um das Sofa an seinen alten Platz zurückzuwuchten. Ich schaute auf und sah, wie er auf mich zukam, und ich hatte Angst und dachte, ich würde mit diesem Mann vielleicht nicht reden können. Ich machte den Mund auf und schrie fast: »Ich bin schwanger«, damit er stehenblieb.
»Darf ich fragen, ob ich der Vater bin?« sagte er.
»Du bist der Vater. Wer sonst?«
»Ich weiß nicht, wer sonst.«
»Niemand. Du bist der Vater.«
»Und du hast diesem Mann erlaubt, mit dir zu schlafen. Du, mein Kind und dieser Mann.«
»Er hat nicht mit deinem Kind geschlafen. Er hat mit mir geschlafen.«
Er antwortete nicht, sondern schaute nur immer auf mich herunter. Dabei stand er so dicht vor mir, daß meine Augen seine ganze Gestalt kaum noch erfassen konnten, sondern nur seine glatte, maskuline Wucht.
»Es ist einfach so passiert. Ich dachte, du kommst nicht mehr zurück. So sah es jedenfalls nicht aus, als du vor der Tür standest.«
»Ich weiß sehr wohl, wie es aussah, Georgina. Ich weiß auch sehr wohl, wie es sich anhörte.«
»Es tut mir leid.«
»Es war gut mit diesem Mann?«
»Du hast es gehört, du hast es gesehen, du Mistkerl. Was glaubst du?«
»Gut, nicht >nicht schlechte«
Ich wandte den Blick von ihm ab. Mich fröstelte, denn ich saß, nackt, wie ich war, am Tisch in der Zugluft, die aus der Küche hereinwehte und die Morgenkälte mit sich brachte. Die Müdigkeit ließ meine Augenlider schwer werden, und mein Körper sackte unter der empfundenen Schmach zusammen. Ich hörte, wie seine Schritte sich entfernten; dann lief Wasser in die Badewanne. Er kam zurück, faßte mich bei den Schultern und schleifte mich ins Bad.
»Waschen«, sagte er, und ich gehorchte, während er wartete. Als ich mich zu seiner Zufriedenheit gesäubert hatte, warf er mir ein Handtuch zu, und ich trocknete mich ab; ich war beinahe hilflos vor Erschöpfung. Aber ich war nicht mehr so besorgt, da er jetzt ein wenig Dampf abließ.
»Komm ins Bett«, sagte er.
»Hör mal, ausgeschlossen, ich bin müde...«
»Geh ins Bett.«
Ich legte mich hin, behielt die Tür im Auge und wartete, aber er kam nicht. Nach einer Weile schlug ich die Decke zurück und tappte leise zur Tür. Shinichro saß regungslos mit gekreuzten Beinen auf dem Boden, den Rücken ans Sofa gelehnt. Als ich hinter ihn trat und seine Schulter berührte, schaute er zu mir auf. Sein Gesicht war naß von Tränen.
Als ich aufwachte, war er natürlich nicht mehr da. Draußen regnete es heftig, und durch das offene Fenster hörte ich, wie der Verkehr über die nassen Straßen zischte und der Donner über der Stadt grollte. Es war nach Mittag, und in meinem Zimmer war es heiß, so heiß, daß ich schwitzte. Ich wußte, daß im Laufe des Vormittags das Telefon ein paarmal geklingelt hatte, aber ich war zu verschlafen gewesen, um abzunehmen. Ich schätzte, daß Pal angerufen hatte, um sich zu überzeugen, daß alles in Ordnung war und ich die Nacht überlebt hatte.
Auch Charlie konnte angerufen haben, vielleicht, um mich zu der Pokerrunde einzuladen. Richard konnte sich wegen der Story gemeldet haben, aber von einem erwartete ich keinen Anruf, nämlich von Shinichro, und ich wußte nicht, wie mir dabei zumute war. Ich saß auf der Bettkante und betrachtete meine nackten Füße auf dem Boden, mit kleinen glänzenden Schwielen an den Zehen, wo meine Stiefel ein bißchen drückten, die Doc Martens, die er so gern an mir sah, damiter die strammen Schwarzen Senkel betrachten konnte und das glänzende
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