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Siesta italiana: Meine neue italienische Familie

Siesta italiana: Meine neue italienische Familie

Titel: Siesta italiana: Meine neue italienische Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Harrison
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hatte zwar auf dem Papier über ein Jahr hier gelebt, aber nicht gemerkt, wie sehr ich den Ort ins Herz geschlossen hatte, bis er mir zeigte, wie sehr er mich ins Herz geschlossen hatte. Freunde hupten, wenn sie an unserem Haus vorbeifuhren. Andere schauten vorbei und brachten mir Geschenke wie selbst gemachte Pasta, Gnocchi und Gemüse, das sie im eigenen Garten gezogen hatten. Daniela kaufte mir eine Vespa, Valeria backte mir einen Kuchen, und Franco sah durch mich hindurch und lächelte. Aber das größte Trara veranstaltete Signor Api. » Eeeeei! «, rief er, als wir an der California-Tankstelle hielten. » Bentornato Arrison! « Dann ging er um den Wagen herum, starrte durch die Scheiben und rief: »Was? Kein Baby? Warum nicht? Du hattest ein Jahr Zeit!«
     
    Danielas Vater wirkte geschwächt. Er war noch unsicherer auf seinen zittrigen Beinen als vorher, aber als Kranker genauso stur wie als Gesunder. Also weigerte er sich, ohne einen anständigen Kampf zu Boden zu gehen. Eine Woche nach meiner Ankunft flog Francesco aus Mailand zu uns und fuhr Valeria und Franco nach Sizilien. Daniela und ich blieben während ihrer zweimonatigen Schulferien allein in Andrano zurück. Der Sommer gehörte uns, und wir hatten vor, schwimmen zu gehen, zu lesen und uns zu entspannen. Aber eine zufällige Begegnung auf einem Abendspaziergang machte aus dem geplanten Erholungsurlaub die hektischsten Ferien meines Lebens.
    Als wir nämlich an dem Haus von Riccardo, dem Polizeichef, vorbeigingen, der mir mit meinen Papieren geholfen hatte, bemerkten wir, dass er die Autoscheinwerfer angelassen hatte. Wir hatten ihm einiges zu verdanken, also klingelten wir, um ihm Bescheid zu sagen. Der Summer am Tor wurde von seiner atemberaubenden Frau Maria bedient, die uns mit Küssen bedeckte und zwischendrin ihren Dobermännern befahl, das Maul zu halten. Bevor wir den Grund unseres Besuchs überhaupt erwähnen konnten, hatte uns Maria bereits in den Garten hinter dem Haus geführt, wo wir Riccardo mit hochgekrempelten Ärmeln über den Kadavern von zwei geköpften Hühnern vorfanden. Ein noch lebender, aggressiver dritter Vogel, der ganz außer sich war, weil er den Mord an seinen Gefährten hatte miterleben müssen, stand ebenfalls kurz davor, exekutiert zu werden. Der Polizeichef schlug ihm mit einem Ziegel auf den Kopf, mit einem anderen auf seine Füße, und nach einem »sauberen« Schnitt mit dem Küchenmesser verstummte die Henne. Riccardos beide kleinen Töchter, die nicht mitbekommen hatten, dass der Vater ihre Haustiere zum Abendessen zubereitete, spielten mit Freunden auf der anderen Straßenseite.
    »Schau mal, wer da ist!«, rief Maria und lenkte ihren Mann ab, dessen Gesicht zu strahlen begann, als er Daniela und mich entdeckte. Er war so aufgeregt, dass er mit dem Messer auf uns zurannte. Riccardo war ein Hüne, der trotz seines Körperumfangs so agil und lebhaft war wie ein kleines Kind. Seine Zunge war genauso flink wie er und bombardierte uns mit Fragen, ohne die Antwort auch nur abzuwarten. Wie er so Verdächtige vernehmen wollte, war mir ein Rätsel.
    »Meine lieben Freunde. Wie geht es euch? Wie geht es deinem Vater, Daniela? Habt ihr morgen Abend schon was vor?«
    »Auf jeden Fall mehr als diese Hühner«, beantwortete ich seine letzte Frage als erste.
    »Kommt gegen halb zehn. Wir werden viele Leute sein und die hier essen.« Er zeigte auf seine Kadaversammlung. »Ich hab sie selbst aufgezogen«, fuhr er fort und zeigte auf einen Verschlag, in dem ein Dutzend Hennen in ihrem Todestrakt herumstolzierten. »Sie schmecken köstlich, ihr werdet sehen.« Wir nahmen gemeinsam einen Drink und wurden mit Fragen überhäuft, die zu beantworten uns meist unmöglich gemacht wurde. So war das immer bei dem Polizeichef – man fühlte sich, als ob man gleichzeitig gefeiert und ignoriert wird. Mit demselben Trara, mit dem man uns empfangen hatte, wurden wir auch wieder zum Tor begleitet. Erst als wir zu Hause waren, merkten wir, dass wir ganz vergessen hatten, Riccardo von seinen Scheinwerfern zu erzählen.
    »Ich ruf ihn an«, sagte Daniela.
    »Nein, lass«, entgegnete ich grinsend. »Diese Hühner müssen gerächt werden.«
    Am Abend darauf entspannten wir uns mit zwanzig durchgedrehten Italienern und ihren Kindern in Riccardos Garten. Wir aßen und tranken bis weit nach Mitternacht. Ich hatte keine Ahnung, wer zu wem gehörte. Mädchen wurden von diversen Müttern verwarnt, nicht mit vollem Mund zu sprechen, und Jungen von ihren

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