Siesta italiana: Meine neue italienische Familie
Erste-Hilfe-Maßnahmen demonstrierten. Das Poster, das mir am nächsten war, war mit »Die häufigsten Unfallursachen« überschrieben und zeigte einen Sportwagen, der Probleme mit einer Haarnadelkurve hatte und in eine Schlucht stürzte. Neben den verkohlten Autoüberresten stand in roten Buchstaben: » No «, was wohl bedeutete, dass man das tunlichst unterlassen sollte.
Michele sorgte für Aufmerksamkeit, indem er auf eine Taste seiner Computertastatur drückte. Der Bildschirm hinter ihm zeigte eine Ampel, die durch einen weiteren Tastaturbefehl grün wurde, um den Beginn des Unterrichts zu signalisieren. Nett. Micheles Unterrichtstechnik bestand darin, den Inhalt des Lehrbuchs, Verkehrsschild für Verkehrsschild mithilfe des an seinen Computer angeschlossenen Bildschirms zu erklären. Nachdem er die Bedeutung eines jeden Schilds erläutert hatte, stellte er eine Reihe von »Richtig oder falsch«-Fragen, um zu überprüfen, ob wir seine Erklärungen verstanden hatten. In der Theorie klingt das beeindruckend. In der Praxis war es reine Zeitverschwendung. Nicht wegen unserer fehlerhaften Antworten. Sondern wegen seiner sinnlosen Fragen. Hier ein paar Beispiele:
F: »Der Zebrastreifen ist der Teil der Straße, der für Fußgänger reserviert ist, die die Straße überqueren. Hier müssen Autos halten, um die Fußgänger vorbeizulassen«, verkündete Michele. » Vero o falso?«
A: » Vero «, sagte die Klasse einstimmig.
Einmal ganz abgesehen davon, dass ich in Italien bis auf meine Wenigkeit noch nie einen Autofahrer an einem Zebrastreifen habe halten sehen, lautete die Antwort in der Tat »richtig«. Selbst, wenn keiner der Schüler die Regel je beachten würde, hatten doch alle die Bedeutung dieses Verkehrsschilds erkannt. Aber Michele war nicht überzeugt.
F: »Man muss nur halten, wenn Fußgänger von rechts kommen.«
A: » Falso «, war sich die Klasse einig.
F: »Man muss nur halten, wenn Fußgänger von links kommen.«
A: » Falso «, lautete die lethargische Antwort.
F: »Man muss nur für Kinder halten.«
A: » Falso .«
F: »Man muss nur für Tiere halten.«
A: » Falso .«
F: »Man muss aufpassen, nicht auf Autos aufzufahren, die anhalten, um Fußgänger vorbeizulassen.«
A: » Vero. «
Zum Glück hatte Michele das noch geklärt, denn sonst hätten wir Leute umgemäht, aber ihren Haustieren die Vorfahrt gelassen.
Er drückte auf eine weitere Taste, und das nächste Verkehrszeichen erschien auf dem Bildschirm. Nach einer längeren Erklärung ging die Befragung weiter.
F: »Busse haben immer Vorfahrt.«
A: » Falso .«
»Genau«, rief Michele aus. » Bravi . Denn das ist ein Schild für einen Bahnübergang, und Busse fahren nicht auf Gleisen, stimmt’s?«
A: » No .«
Die Schüler verdrehten die Augen.
F: »Dieses Verkehrszeichen besagt, dass es in dieser Gegend oft regnet.«
Es entstand eine Pause, die so lange dauerte, wie zwanzig Teenager brauchen, um die Stirn zu runzeln, bis einer von ihnen fragend murmelte: » Falso? «
Unsere Aufmerksamkeit hatte stark nachgelassen. Ein Junge verschickte SMS. Ein anderer machte dem Mädchen neben mir Komplimente wegen ihrer Ohrringe.
F: »Dieses Schild besagt, dass man umdrehen und den Weg nehmen muss, den man gekommen ist.«
A: Die Mehrheit antwortete mit » falso «. Ein Mädchen quäkte ein zögerliches » Vero «. Der Rest schwieg.
Jetzt hatte er sie wirklich durcheinandergebracht. Wenn ein Schild, das Gegenverkehr anzeigte, auch bedeuten konnte, dass man umkehren und zurückfahren muss, muss ein Schild mit einem Verkehrskreisel bedeuten, dass man immer im Kreis fahren muss. Die Zeit zog sich hin wie Kaugummi.
F: »Motorräder sind hier verboten.«
A: » Scusa? «, entgegnete die Klasse verwirrt.
F: »Motorräder sind hier verboten«, wiederholte Michele.
Eine lange Pause entstand.
A: » Fal-so «, versuchte ich mich in Sarkasmus.
» Si, falso «, sagte Michele, zufrieden, dass er sie an der Nase herumgeführt hatte. »Denn ein Motorrad ist schmaler als zwei Meter dreißig, und dieses Schild verbietet Fahrzeuge, die breiter als zwei Meter dreißig sind.«
Das war die vierte Stufe von Mastermind.
Und schon blitzte das Verkehrszeichen auf, das in Italien am allerwenigsten respektiert wird und am Eingang jedes Ortes und jeder Stadt zu sehen ist. Es ist unweigerlich an einem weiteren Schild mit dem Namen der Stadt befestigt und entweder verrostet oder verbeult oder wie in Andrano Porto von Schüssen
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