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Siesta italiana: Meine neue italienische Familie

Siesta italiana: Meine neue italienische Familie

Titel: Siesta italiana: Meine neue italienische Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Harrison
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Ecke. Computer gab es keine, und das übliche graue Telefon unterschied sich von denen in anderen Büros nur durch ein rotes Lämpchen über der Wählscheibe. Metallene Bücherregale bogen sich unter vergilbten Dokumenten und eselsohrigen Akten, die mit Bändchen verschlossen waren. So alt und verstaubt wie das Büro war, schien es das heutige Datum auf dem Formular beinahe Lügen zu strafen.
    Der carabiniere zündete sich eine Zigarette an und holte ein Formular aus seiner obersten Schublade. Zwischen das Formular und ein weißes Blatt legte er ein zerknittertes Blatt Kohlepapier, bevor er alles in eine antike Schreibmaschine spannte. Eine Olivetti natürlich. Dem stark mitgenommenen Ding fehlte die Taste für die 5, und das freiliegende Metallstück sah nicht so aus, als wolle man es gern berühren. Der Buchstabe T war mit Filzstift auf eine graue Ersatztaste geschrieben worden, während die Originaltasten einst schwarz gewesen waren.
    Der Beamte benutzte nur seinen Zeigefinger, um Danielas persönliche Daten einzutippen, die er von ihrem Führerschein abschrieb. Nach mehrminütigem, gewissenhaftem Tippen, wozu auch die Suche nach einem geeigneten Gegenstand gehörte, mit dem man die gefährliche 5er-Taste drücken konnte – Daniela wohnte in der Hausnummer 15 -, gab er ihr den Führerschein wieder und lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
    » Allora «, sagte er und sog an seiner Zigarette. »Wann ist das passiert, signora ?«
    »Gegen halb zehn«, sagte Daniela.
    Bei dem Versuch, 22 Uhr 30 zu tippen, drückte der Beamte die 3er-Taste, aber der Metallarm bewegte sich nicht. Genervt drückte er erneut darauf, aber die Taste war anscheinend blockiert. Das schien ihm peinlich zu sein, und er zögerte.
    »Äh, es tut mir leid, aber die 3 funktioniert nicht. Können wir einfach 10 Uhr 40 daraus machen?«
    Stirnrunzelnd sahen Daniela und ich uns an.
    »Ich denke schon«, entgegnete Daniela.
    »Aber nicht viel später«, witzelte ich auf Englisch, »das Restaurant schließt um elf.«
    »Woher kommt Ihr Freund, signora ?«
    »Aus Australien.«
    Er sah mich an.
    »Australien? Was zum Teufel machen Sie dann hier?«
    Der Rest ist bekannt.
    Bevor er Geschichtsfälschung betrieb, gab der carabiniere der 3 eine letzte Chance und drückte diesmal ziemlich fest darauf. Der Metallarm schoss nach vorn wie der einer Mausefalle, nur um gleich darauf am Papier festzukleben. Der Beamte beugte sich vor, um den Arm zu lösen und an seinen angestammten Platz zurückzuschicken. Froh, mit den Ziffern fertig zu sein, schnippte er die Asche von seiner Zigarette und lehnte sich erneut in seinem Stuhl zurück.
    »So, wo waren wir stehen geblieben, signora ?«
    »Im Pietralata in Andrano. Sie kennen das Pizzalokal auf dem Land?«
    » Si, si . Und dort haben Sie Ihre Handtasche verloren?«
    »Nein, die Handtasche wurde mir dort gestohlen.«
    »Gestohlen?« Er wirkte überrascht. »Aber Sie haben mir doch erzählt, Sie hätten sie verloren.«
    »Nein, ich sagte, sie sei mir gestohlen worden«, beharrte Daniela. »Das war das Erste, was ich Ihnen am Telefon gesagt habe.«
    »Aber wenn sie gestohlen wurde, ist das etwas vollkommen anderes.« Er blickte auf seine Schreibmaschine. »Wir brauchen ein anderes Formular.«
    »Allora ?«, hakte Daniela nach. Sie behandelte ihn wie einen ihrer Schüler in der Grundschule, und was seine Schreibmaschinenkenntnisse betraf, gehörte er auch genau dorthin.
    Er drehte an der Walze seiner Schreibmaschine, um das Blatt in seine aufgehaltene Hand fallen zu lassen. Dann öffnete er eine andere Schublade, fand ein anderes Formular, spannte es samt Kohlepapier und einem weißen Blatt ein, und die Prozedur begann wieder von vorn. Ein unangenehmes Schweigen entstand, während er das Formular ausfüllte, bis er wieder vor dem vorherigen Problem stand und sich erneut vorbeugte, um die 3 von 10 Uhr 30 zu tippen, allerdings ohne uns diesmal dazu zu befragen. Am Ende jeder Zeile hielt er inne, um uns das Geschriebene einschließlich Satzzeichen laut vorzulesen. Gleichzeitig rieb er sich die Hände – das Inbild kreativer Versenkung. Er schilderte den Vorfall sehr ausführlich, und Daniela konnte ihr Lachen nur mit Mühe unterdrücken, als er die Diebe als » ignori malfattori « bezeichnete, eine literarische Wendung, mit denen er die Kleinkriminellen in den Rang »unbekannter Übeltäter« erhob.
    Zufrieden mit seiner Einführung sah er zu Daniela auf, um weitere Recherchen für seinen Roman anzustellen.
    »Und welche Farbe

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