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Siesta italiana: Meine neue italienische Familie

Siesta italiana: Meine neue italienische Familie

Titel: Siesta italiana: Meine neue italienische Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Harrison
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Schulter, um sie zu beruhigen, während ich krampfhaft nach einer Antwort suchte, die dieses verschlafene Polizeirevier vertragen konnte.
    Der carabiniere zündete sich eine neue Zigarette an, knackte mit den Knöcheln und beäugte das Dokument. Als ich ihm so beim Denken zusah, fiel mir die 3er-Taste wieder ein, die klemmte, wenn man sie benutzte. Daniela wollte gerade etwas sagen, als er plötzlich einen Einfall hatte. »Warum rufen Sie die Bank nicht morgen früh an und fragen nach der Versicherungspolicenummer? Dann können wir das Formular ausfüllen, wenn Sie wiederkommen, um mit dem Chef zu sprechen.«
    Ein absurder Vorschlag, aber inzwischen hätte Daniela sogar einen Mord gestanden, nur um der Qual endlich ein Ende zu machen. Sie war schon drauf und dran, das Ganze bleiben zu lassen und den Dieben lieber Geld zu schenken, als wegen derer, die dafür bezahlt wurden, sie zu fangen, die Nerven zu verlieren.
    Froh, hier wieder wegzukommen, wurden wir in den Warteraum geführt, wo die Fotos der tapferen Verbrechensbekämpfer immer noch an ihren rostigen Haken baumelten. Davon, sich von einem Hubschrauber abzuseilen, konnte dieser Sesselfurzer nur träumen. Ein Schleudersitz hätte besser zu ihm gepasst. Jetzt begriff ich, warum die carabinieri Stoff für Witze aller Art liefern. Wenn mich dieser nervenaufreibende Abend etwas gelehrt hatte, dann, gar nicht erst in Schwierigkeiten zu geraten.
    Der Beamte setzte seine Mütze auf, die spaßeshalber lucerna genannt wird, weil sie aussieht wie die Laterne eines Bergarbeiters. Seinen Prioritäten entsprechend griff er zuerst nach seinen Zigaretten und dann nach dem Schlüsselbund, bevor er das Revier abschloss und uns auf die Straße folgte. Als wir mit Napoleon davonbrausten, fuhr er mit einem Matchbox-Fiat-Panda in die andere Richtung.
    »Wo, glaubst du, fährt er jetzt hin?«, fragte ich Daniela.
    »Wahrscheinlich fahndet er nach meiner Handtasche«, sagte sie. »Laut seinem Formular wird sie schließlich immer noch vermisst.«
     
    Am nächsten Morgen riefen wir Errico in der Bank an, in der Hoffnung, er könne uns einen weiteren Weg aufs Revier ersparen. Laut seinem Computer war kein Geld abgehoben worden, aber er wiederholte, dass sich das erst nach 48 Stunden verlässlich sagen ließ, und riet uns, trotzdem Anzeige zu erstatten. Als er hörte, dass die carabinieri die Versicherungspolicenummer wollten, kicherte er und stellte die rhetorische Frage: »Ihr seid nach Loritano gefahren, stimmt’s?« Er erzählte uns, wie Beamte dieses Reviers einmal in seine Bank gestürmt waren, um einen Überfall zu vereiteln, der allerdings in der Post stattfand. Er bestätigte uns, dass die Versicherungspolice der Bank keine Nummer habe, und ließ dem Beamten ausrichten, er solle doch Italien einen Gefallen tun und zur berittenen Polizei gehen. Aber uns blieb nichts anderes übrig, als wieder nach Loritano zu fahren.
    Diesmal öffnete uns ein kleiner Beamter mit blankgewienerten Schuhen. Im Büro stand ein chicer neuer Laptop neben seinem uralten Vorgänger. Die beiden Apparate waren genauso unterschiedlich wie die beiden Polizisten. Wir atmeten erleichtert auf. Endlich hatten wir den Chef vor uns.
    Wieder einmal waren wir die einzigen Besucher. Entweder gab es keinerlei Verbrechen in dieser Gegend, oder die carabinieri waren dermaßen unfähig, sie aufzuklären, dass sich keiner die Mühe machte, sie überhaupt anzuzeigen. Daniela erklärte den Grund unseres Besuchs, fasste die Geschehnisse des gestrigen Tages zusammen und sagte, die Versicherungspolice habe erwartungsgemäß keine Nummer. Nach einer längeren Suche nach unserem Formular, das letztlich immer noch in der Schreibmaschine steckte, warf der commandante einen Blick auf die Arbeit seines Untergebenen und strich den letzten Absatz durch. Anschließend unterschrieb Daniela die Erklärung, bevor der Chef seine Initialen hinzufügte und sie mit einem Gummistempel abstempelte.
    »Das ist für Sie«, sagte er und gab Daniela den Durchschlag.
    Daniela dankte ihm für seine Effizienz.
    »Keine Ursache«, sagte der Polizeichef. »Aber falls die gestohlene Ware wieder auftaucht«, fügte er noch hinzu, »geben Sie uns bitte Bescheid.«
    Hätte Daniela höflich zugestimmt, das Formular zusammengefaltet und fein säuberlich in der gerade als gestohlen gemeldeten Handtasche verstaut, wäre die Tortur beendet gewesen. Stattdessen machte sie einen entscheidenden Fehler. Das war eines der seltenen Male, bei denen ich ihr vorwarf, zu

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