Siesta italiana: Meine neue italienische Familie
doch ein falscher Schritt, und schon war es um mich geschehen. Da viele Vermieter Makler beschäftigen, die Ausländer von vorneherein aussortieren, war ich kaum der Richtige für den Job. In den meisten Wohnungsanzeigen, die ich auf den Schreibtischen der Makler sah, stand oben fett gedruckt: NIENTE STRANIERI – KEINE AUSLÄNDER. Diese Worte standen sogar in der Anzeige für die Wohnung, die ich schließlich mietete und nach der ich zwei Wochen suchen musste.
Italienische Städte sind wie faules Obst – der beste Teil ist der Kern. In Mailands periferia wuchern Bausünden wie Unkraut in einem vernachlässigten Garten. Die Vororte sind auf eine deprimierende Weise trostlos und ungepflegt. Die klassische Schönheit der Stadt hatte durch die explosionsartige Migration der Süditaliener tiefe Narben davongetragen. Denn sie sorgte dafür, dass hastig billiger Wohnraum ohne jede Baugenehmigung und jeden Geschmack hochgezogen wurde. Ich wollte Italien inmitten der Architektur der Alten Welt kennenlernen, und wenn ich schon nicht mittendrin wohnen konnte, dann wenigstens ganz in ihrer Nähe. Mit Danielas Schule als Anhaltspunkt suchte ich so zentral wie möglich, da wir uns beide einig waren, dass klein, aber fein besser war als groß und steril. Die Jagdsaison hatte begonnen.
Spatzen flogen auf, als ich dem Winter trotzte, um die Morgenzeitung zu kaufen. Aber bei den privaten Anzeigen, die ich abtelefonierte, waren die Wohnungen entweder schon vermietet oder der Anrufbeantworter ging dran oder aber man landete heimtückischerweise bei bancadarias – bei Pseudomaklern, die erst einmal umgerechnet 200 Dollar verlangen, bevor sie überhaupt eine Adresse herausgeben. Bevor ich lernte, sie herauszufiltern, landete ich einmal im Warteraum einer solchen bancadaria, wo eine Maklerin ihr Bestes tat, einen verärgerten Vermieter zu beruhigen. Worüber er sich aufregte? Über diese widerlichen Ausländer natürlich. »Sie haben selbstverständlich Recht«, sagte die Agentin und blinzelte durch ihren Zigarettenqualm. »Ich würde sie auch nicht im Haus haben wollen, aber ich dachte, bei Ihnen wäre das anders.« Damit war die Diskussion noch lange nicht zu Ende.
Ich gab es auf, die privaten Anzeigen durchzulesen, und rief nur noch bei Maklern an, die zwar auch eine Gebühr verlangen, aber im Unterschied zu den bancadarias erst, nachdem sie einem eine Wohnung vermittelt hatten. Ich rief an, sobald sie aufmachten, und trug auf Italienisch Danielas Checkliste mit Fragen vor: Wo liegt die Wohnung? In welchem Stockwerk? Gibt es einen Lift? Funktioniert er? Ich machte nur einen Fehler und fragte, ob eine Wohnung ein Dach ( tetto ) besäße statt ein Bett ( letto ).
Wenn ich die erste Runde überlebte, waren die anderen mit Fragen dran. Das bedeutete in erster Linie, zu erklären, warum ich eine Checkliste vorlas. Ich erzählte, dass ich ein Australier mit Aufenthaltsgenehmigung und einem festen Job sei und nachher zum Mittagessen eine statale erwarten würde. Die nächste Fragerunde war noch persönlicher, aber dank meines Trainings mit Daniela deutlich leichter zu beantworten. Wie alt waren Daniela und ich? Waren wir verheiratet? Hatten wir Kinder? Irgendwelche Haustiere? Was arbeiteten wir genau? Eine Maklerin zögerte, bevor sie sagte: »Es ist mir peinlich, das zu fragen, aber der Eigentümer will nur Mieter mit Universitätsabschluss. Haben Sie oder Ihre Freundin einen?«
»Genau genommen haben wir sogar drei.«
»Das ist wahrscheinlich einer zu viel.«
Laut meiner Checkliste sollte ich mich abschließend nach einem Besichtigungstermin erkundigen und möglichst darauf bestehen, die Wohnung als Erster ansehen zu dürfen. Die Nachfrage nach Wohnungen ist so groß, dass Interessenten sie schon nach einer oberflächlichen Besichtigung durch die Hinterlegung einer Kaution reservieren. In mehreren Fällen kam ich nach ermüdenden Fahrten mit der Straßenbahn, U-Bahn und langen Fußmärschen zum verabredeten Treffpunkt, nur um zu sehen, wie der Makler mit Taschen voller Geld bereits abschloss. Man hat kaum Zeit, über eine Wohnung nachzudenken oder sie mit anderen zu vergleichen, denn bis man sich entschieden hat, sind beide weg. Zwei Wohnungen gingen uns durch die Lappen, während wir über ein Bad ohne Fenster oder eine Küche diskutierten, die so klein war, dass der Kühlschrank in der Vorratskammer stand.
Nachdem ich die Besichtigungstermine organisiert hatte, ging ich mit einem Handy, einem Stadtplan von Mailand und mehreren
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