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Siggi Baumeister 19 - Mond über der Eifel

Siggi Baumeister 19 - Mond über der Eifel

Titel: Siggi Baumeister 19 - Mond über der Eifel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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Jahre alt und hatte Wunderliches erlebt. Zum Beispiel ein brütendes Wildentenpaar, das sich ein Jahr lang dort wohl fühlte, aber keine Nachkommen hatte. Oder einen Fischreiher, der über die Häuser geflogen kam, regungslos im Teich stand und eine panische Angst bei mir auslöste, weil er mit scharfen Krallen sehr einfach die Folie hätte löchern können. Zum Beispiel eine Gelbbauchunke, die drei Jahre lang ihre Rufe in den Abend schickte und dann, von einem Tag auf den anderen, verschwunden war. Und warum hatte mein dickster Goldfisch, der Zarathustra, so einen merkwürdigen Schwanz? Nicht nur senkrecht stehend, sondern auch wie eine Huke bei Walen, gewissermaßen ein doppelter Antrieb?
    Warum konnte ein Mann wie Jakob Stern getötet werden, wo lag das Motiv? Und wo war dieser Bruder? Hatte der möglicherweise in wildem Hass den Bruder umgebracht? Kain und Abel in der Eifel? Warum nicht. Was treibt ein Mann, der sich Schamane nennt, den ganzen Tag lang? Was ist überhaupt ein Schamane? Was tut er? Kann er von seiner Kunst denn leben? Und warum sagt das Finanzamt, Stern habe keine nennenswerten Erträge versteuert? Und wie konnte ein solcher Mann sich ein derartig exklusives Haus bauen? Warum bewahrte er eine so große Summe Bargeld ganz einfach in einer Schublade auf? Die Hexe Griseldis hatte den Eindruck gemacht, als lebe dieser Mann gut gelaunt in den Tag, schlafe hier und da mit einer Frau, genieße das Leben und höre den Tieren zu. War er das, was wir gemeinhin einen netten Kerl nennen, nicht mehr und nicht weniger? Oder hatte er ekelhafte Seiten? Warum schlug er den Bruder, bloß weil der betrunken und gut gelaunt war? Warum tat er das in aller Öffentlichkeit? War das ein Problem in der Familie Stern? Dann explosiv die Frage: Wer waren die Eltern der beiden, wie lange war der bäuerliche Betrieb gelaufen? Und wie sollten wir seine letzten vierzig Stunden rekonstruieren, wer könnte uns dabei helfen?
    Eines war sicher: Der Mann, der den ersten Abschnitt dieser vierzig Stunden mitbekommen hatte, war Rechtsanwalt Meier. Der hatte Stern aus Aachen von der Kripo nach Hause geholt, der konnte möglicherweise wissen, was Stern vorgehabt hatte, was er tun wollte, um was es in dieser knappen Zeitspanne gegangen war.
    Dann fiel mir wieder die kleine Jamie-Lee ein, deren Fall nichts mit dem Tod von Jakob Stern zu tun hatte, nichts damit zu tun haben konnte. Aber ich dachte, dass es vielleicht Berührungspunkte gab, an die wir jetzt nicht denken konnten, weil wir sie einfach nicht kannten. Aber der Tod der Kleinen hatte viel aufgewirbelt, hatte breite Spuren gezogen. Es war möglicherweise gut, gelegentlich daran zu erinnern, dass Jamie-Lee gewissermaßen vor einem Hintergrund mit denselben Verweisen gestorben war: Hexen, Schamanen, Lebensberater, Menschen, die die Zukunft lesen konnten und sich tagtäglich mit einem Erzengel trafen …
    Jennifer kam zurück, stellte sich hinter mich, legte mir die Hände erst auf die Schultern und dann an meinen Hals. Sie beugte sich tief herab und sagte dicht an meinem rechten Ohr: »Ist das richtig, lebst du hier wie ein Einsiedler? Und braucht ein Einsiedler von Zeit zu Zeit etwas Zuwendung?«
    Ich fiel augenblicklich in eine Schreckstarre und wusste absolut nichts zu sagen. Ich dachte panisch: Hoffentlich nimmt sie die Hände da weg! Aber sie nahm sie nicht weg, und ihr Gesicht und ihr Haar waren sehr nahe. Ich stammelte dann den wohl dämlichsten Satz meines Lebens: »Ich bin belegt.«
    Sie erwiderte sehr sachlich: »Ich meinte das nicht für die Ewigkeit.«
    »Meine letzte Liebe ging vor achtundvierzig Stunden«, brachte ich heraus.
    »Du bist also ein maßloses Sensibelchen«, stellte sie fest.
    »Das wird so sein«, gab ich zu und bat irgendeine höhere Instanz, sie solle ihren Kopf und ihre Hände woanders unterbringen. Sie roch gut.
    »Ich will eigentlich gar nichts von dir, ich wollte dich nur mal antesten«, hauchte sie und nahm ihren Kopf und ihre Hände von mir.
    Antesten nannte sie das? »Dann ist es ja gut«, sagte ich und war mir bewusst, dass ich ab sofort wahrscheinlich eine unerbittliche Feindin fürs Leben hatte.
    Natürlich war nichts passiert, natürlich hatte sie nichts von mir gewollt, natürlich waren wir sehr moderne Menschen, die so einen Zwischenfall locker abhakten und einfach nicht mehr darüber sprachen. Sie war ja auch nur im Gras gestolpert und hatte mich letztlich als Haltepunkte für beide Hände dankbar ergriffen. Für einen zufällig vorhandenen

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