Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Siggi Baumeister 19 - Mond über der Eifel

Siggi Baumeister 19 - Mond über der Eifel

Titel: Siggi Baumeister 19 - Mond über der Eifel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
Vom Netzwerk:
so was haben wir auch. Aber der hier ist kaputt. Es ist komisch in alten Häusern, du glaubst, du kannst Stimmen hören. Die Stimmen der Menschen, die hier mal gelebt haben.«
    Irgendwo tropfte Wasser.
    »Wieso auf dem Land?«, fragte ich. »Ich dachte, ihr lebt in Sao Paulo.«
    »Mein Vater hat ein paar Schafherden und hat sich eine Ranch gekauft. Igitt, da hat jemand hinge … hingemacht.«
    »Vorsicht, da ist ein Loch im Boden. Fall mir nicht in den Keller.«
    »Durch das Loch passe ich nicht. Gehen wir die Treppe hinauf?«
    »Wir gehen«, nickte ich. »Hier im großen Raum waren sicher die Tanzveranstaltungen. Ich möchte mit den Leuten reden, die damals hier ihre Auserwählte angeschmachtet haben.«
    »Angeschmachtet? Was ist denn das für ein Wort?«
    »Angebetet würde man heute sagen. Sieh mal, ein richtiger alter Kanonenofen aus Gusseisen. Der wurde mit Holz befeuert. Tänze kosteten damals Geld. Du musstest einen Groschen pro Tanz zahlen. Den Groschen kriegte die Musik.«
    »Wie lange ist das her?«
    »Ich weiß es nicht genau. Um 1935 und 1940 war das noch so.« Ich rief sicherheitshalber zweimal »Hallo!«, es blieb totenstill.
    Sie ging vor mir die Treppe hinauf. »Hier haben die Wirtsleute gewohnt, nicht wahr?«
    »Das ist anzunehmen.«
    »Wieso werden so alte Häuser nicht abgerissen? Ich meine, wenn sie es abgerissen hätten, wäre es doch ein guter Bauplatz.«
    »Aha, die Tochter des Immobilientycoons. Das kann verschiedene Gründe haben. Neue Besitzer, die sich nicht entscheiden können. Erben, die absolut kein Interesse haben. Vielleicht ist auch die Gemeinde der Besitzer und hat kein Geld, um das alte Gemäuer abzureißen. Abriss ist teuer.«
    »Hier war das Schlafzimmer. Man sieht noch, wo das Bett stand. Und sieh mal da.« Sie zeigte auf ein kleines, sehr massives Brett an der Wand. In Holz geschnitzt standen dort die Worte: IN TREUE FEST!
    »Das klaue ich«, sagte ich. »Und ich verstehe nicht, wieso ein solcher Kitsch nicht längst geklaut worden ist.« Ich nahm das Brett vom Nagel und klemmte es mir unter den Arm.
    »Da ist zu«, sagte sie und blieb vor einer Tür stehen.
    »Einfach aufdrücken!«, riet ich.
    Das war schwierig, die Tür klemmte. Als ich sie aufschob, gab sie mit einem Knall nach. »Sieh mal einer an!«
    Das Zimmer war bewohnt, eindeutig. Jemand hatte vor die Fensterhöhlung eine alte Decke genagelt. Am Boden lag eine verhältnismäßig neue Matratze, daneben zwei Unterteller, auf die vier Kerzen geklebt waren. Daneben eine volle Flasche Korn, nicht geöffnet. Und ein alter Wecker mit einem Janosch-Motiv, der munter vor sich hintickte und die korrekte Zeit angab. Dann noch ein Fetzen Papier, auf dem ein altes Stück Brot lag. Es war trocken, es hatte sich verzogen, und an einer Stelle zeigte sich grüner Schimmel.
    »Kann das auf den Franz hindeuten?«, fragte Jennifer.
    »Ich weiß es nicht, ich weiß nichts von ihm. Ein klassischer Penner ist er sicher nicht. Aber ein klassischer Penner hat hier auch nicht gelebt. Der hätte wohl niemals einen Wecker. Und der lässt eine Hasche mit Korn nicht unangetastet. Also, vielleicht war es der Franz. Schauen wir mal weiter.«
    Wir gingen wieder nach unten und suchten die Tür zum Keller. Als wir sie fanden, ging Jennifer vor mir her nach unten. »Vorsicht, kein Geländer!«, sagte sie.
    Der Geruch war sehr intensiv. »Das ist Bier«, sagte ich. »Hier war der Bierkeller. Ich glaube, den Geruch kriegt man niemals aus dem Haus.«
    An einer Stelle war die Wand angefault und dann wohl auf zwei Metern Länge eingebrochen. Da lag ein Haufen Steine. Und hier tropfte das Wasser. Es kam eine Stromleitung entlanggelaufen und tropfte dann auf einen alten Deckel von einem Kochtopf.
    »Ach!«, sagte Jennifer erstickt. Dann drehte sie sich um und rannte mich mit einem schneeweißen Gesicht über den Haufen. Ich fiel erst gegen die Wand, dann auf den Haufen loser Steine. Dann hörte ich, wie sie sich übergab.
    Jetzt sah ich die Figur.
    Offensichtlich war es ein Mann, er lag auf dem Rücken. Und dann merkte ich den Geruch, er war widerlich süßlich.
    Der Mordspezialist Mark Benecke hatte mir einmal gesagt: »So ein Geruch wirkt wie ein Schock. Aber wenn du dir klarmachst, dass du wenigstens hinschauen musst, um zu erkennen, was los ist, wird es erträglicher. Da ist einfach ein Körper in Verwesung und der riecht nun mal, wie er riecht.« Die Erinnerung an Beneckes Worte wirkte zwar nicht sonderlich erleichternd, aber trotzdem konnte ich zu dem

Weitere Kostenlose Bücher