Siggi Baumeister 19 - Mond über der Eifel
BILD sprach mit der Frau, die immer schon in die Zukunft sehen konnte. Und so weiter und so fort. Das ist doch sehr komisch, oder?«
»Na ja«, murmelte Rodenstock. »Also, Sie haben uns alles gesagt?«
»Alles«, versicherte er. »Und wenn mir noch etwas einfällt, rufe ich Sie an.«
»Das ist schön«, sagte ich. »Und vielen Dank.«
Wir gingen mit ihm auf den Hof hinaus, er stieg in sein Auto, er streckte den Daumen hoch, als habe er gesiegt, und verschwand.
»Und jetzt?«, fragte ich.
»Jetzt rufst du den Major von der Aachener Mordkommission an und fragst, wer da geschwätzt hat. Wir wissen, dass es eine Leiter gab, du hast sogar die Holmabstände gemessen. Aber woher wusste diese Frau das?«
Es wurde eine Hetze.
Ich erreichte Roland Major von der Aachener Mordkommission auf seinem Handy. Ich konnte gerade meinen Namen sagen, als er mich schon unterbrach und hastig vermutete: »Ich denke mir, Sie wollen an diese Sonja ran, diese Wahrsagerin aus Seifenauel. Wegen dieser Geschichte in BILD. Also, sie heißt mit bürgerlichem Namen Sonja Papritzky, hinten mit Ypsilon. Das Alter habe ich vergessen. Und sie hat folgende Telefonnummer …« Er diktierte sie mir und setzte dann hinzu: »Rufen Sie mich an, wenn Sie etwas erfahren, das ich wissen müsste. Vielleicht hat sie auch nur richtig geraten, weil eine Leiter notwendigerweise gebraucht wird, um einen Leichnam auf den Baum zu kriegen.«
»Hat einer Ihrer Leute das vielleicht verraten?«
»Ich kenne meine Mädchen und Jungen sehr genau. Ich würde sagen: Nein.«
Dann rief ich diese Sonja an. Ihre Stimme klang nach hartem Schnaps und mindestens dreißig Gauloises ohne Filter am Tag.
»Ich bin ein Journalist, und ich bitte um einen Termin. Wenn es geht, noch heute.«
»Das geht, Schätzchen. Ich bekomme für die Sitzung einhundert Euro, darunter geht gar nichts. Und die Sitzung dauert maximal dreißig Minuten. Wo bist du denn jetzt?«
»Noch eine Weile weg. Ich kann in etwa einer Stunde und zehn Minuten da sein. Und wo, bitte, finde ich Sie?«
»Wir sind nicht gerade eine große menschliche Ansiedlung, Schätzchen. Jeder weiß, wo Sonja zu Hause ist.«
Dann hörte ich ein paar Sekunden zu, wie Rodenstock seiner Emma klarmachte, dass wir durchaus und sofort wieder auf dem Weg in den Nationalpark seien. Ich hörte sie deutlich »Nein!« brüllen. Und dann: »Wir wollen mit!« Mein Rodenstock sagte mit Inbrunst: »Wir fahren allein, wir haben eine Verabredung mit einer göttlichen Frau.«
Im Wagen sagte er: »Wir müssen tanken.«
»In Blankenheim«, sagte ich.
Er sagte: »Ich habe kein Geld bei mir.«
»Dann bezahlst du mit Karte.«
»Ich habe auch keine Karte bei mir.«
»Dann bezahle ich. Aber du kaufst keine Brühwurst im Brötchen! Ich sollte meine Spesen generell anheben lassen. Den Sprit kann doch kein Mensch mehr bezahlen.«
»Das Schlimmste ist, dass das jeder sagt und jeder tankt.«
»Was kann man machen?«
»Auf neue Antriebe warten und bis dahin in die Pleite rauschen. Auf keinen Fall können wir uns auf die Politiker verlassen. Die zahlen ihren Sprit nicht selbst, die reden nur. Ich frage mich, ob diese Sonja irgendetwas mit der Leiter bezweckt?«
»Was soll sie denn bezwecken?«
»Vielleicht etwas, was sie gar nicht weiß.«
»Jetzt bewegst du dich aber im Bereich der Märchen«, sagte Rodenstock.
»Mit Leuten wie dir sollte ich überhaupt nicht sprechen.«
»Hast du einen Schluck zu trinken bei dir?«
»Wasser«, sagte er und reichte mir eine Hasche. »Warum?«
»Weil mein Arm sich meldet.« Ich nahm eine Tablette, was bei diesem beinhart gefederten Auto ziemlich schwierig war. Ich musste gewissermaßen mit dem Maul nach dem Flaschenhals schnappen.
»Ich frage mich«, begann Rodenstock von Neuem, »was eine Wahrsagerin bei Jakob Stern wollte. Wahrsagen konnte er nicht.«
»Vielleicht war es einfache Neugier?«
»Kann sein. Was könnte denn noch dahinterstecken?«
»Absicht eben. Ausloten, wie dieser Junge tickt. Sich einmischen in seine Geschäfte?«
»Wie sollte das vor sich gehen? Sein Geschäft konnte ein anderer nicht erledigen. Aber vielleicht wollte ein anderer sich einmischen und mitverdienen an dieser neuen Unternehmung. Und da ist es ja gut, wenn man den Mann mal ausführlich beobachtet. Was hältst du davon?«
»Nicht schlecht«, sagte ich. »Nicht schlecht. Du machst dich langsam. Für dein Alter ist das schon mal gut.«
Er fuhr sehr schnell und beachtete Hinweise auf Geschwindigkeiten gar nicht erst.
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