Sigma Force 01 - Sandsturm
Kehle.
»Mistress?«
Es war Henry, der alte Butler. Offensichtlich wollte er nachsehen, ob sie eingeschlafen war. Die anderen waren sicher schon alle im Speisesaal. Im Bad gab es keine Uhr, aber ihr kam es vor, als wäre schon die ganze Nacht vergangen.
In der Totenstille drang das Geräusch eines Schlüssels, der in dem alten Schloss knirschte, zu ihr. Das Knarzen der äußeren Tür folgte.
»Mistress al-Maaz …?« Jetzt weniger gedämpft. »Ich schicke Liza zu Ihnen hinein.«
Für Henry, den tüchtigen englischen Butler, wäre es natürlich unschicklich, die Wohnung einer Dame zu betreten, vor allem, wenn diese im Bad war. Hastige Schritte durchquerten die Zimmer und näherten sich dem Bad im hinteren Teil der Suite.
Die Unruhe machte die Schlange nervös. Sie richtete sich zwischen ihren Brüsten auf, wie ein giftiger Geliebter. Sandrasselottern waren berüchtigt für ihre Aggressivität, sie konnten einen Mann einen ganzen Kilometer jagen, wenn sie sich bedroht fühlten.
Aber dieses Exemplar, vom Einweichen offensichtlich lethargisch geworden, machte keine Anstalten zuzuschlagen.
»Hallo«, sagte eine furchtsame Stimme direkt hinter der Tür.
Safia hatte keine Möglichkeit, das Dienstmädchen zu warnen.
Ein junges Mädchen trat mit gesenktem Kopf, den schwarzen Zopf unter dem Spitzenhäubchen zu einer Schnecke zusammengedreht, durch die Tür. Zwei Schritte vor der Wanne murmelte sie:
»Es tut mir Leid, Sie in Ihrem Bad stören zu müssen, Mistress.«
Nun hob sie endlich den Kopf, schaute Safia in die Augen – und dann in die der Schlange, als die sich eben mit einem bedrohlichen Zischen noch weiter aufrichtete. Nasse Schuppen rieben aneinander mit einem Geräusch wie Schmirgelpapier.
Das Mädchen riss die Hand vor den Mund, konnte aber ihren Schrei nicht unterdrücken.
Angelockt von dem Laut und der Bewegung, schnellte die Schlange aus dem Wasser und flog über den breiten, gefliesten Wannenrand auf das Mädchen zu.
Das Mädchen war starr vor Angst.
Aber Safia nicht. Instinktiv griff sie nach dem Schwanz der Schlange, als sie herausschnellte, und packte mitten in der Bewegung zu. Sie zog sie von dem Mädchen zurück und schwang sie in weitem Bogen. Aber die Schlange war kein schlaffes Seil.
Muskeln spannten sich in ihrer Hand, wurden hart unter ihren Fingern. Sie spürte mehr, als sie sah, dass die Schlange zurückschnellte, um das zu beißen, was sie gepackt hatte. Safia strampelte, versuchte, Halt zu finden, um aufstehen zu können. Doch die glitschigen Fliesen boten ihr keinen Halt. Wasser schwappte auf den Boden.
Die Otter schnappte nach ihrem Handgelenk. Nur ein schneller Ruck mit dem Arm bewahrte Safia davor, dass die Giftzähne sich in ihr Fleisch gruben. Doch wie ein erfahrener Kämpfer wand die Schlange sich und brachte sich für einen zweiten Angriff in Stellung.
Endlich kam Safia auf die Füße. Mit weit ausgestrecktem Arm drehte sie sich in der Wanne, um zu verhindern, dass die Schlange sie wieder erreichte. Am liebsten hätte sie das Tier einfach weggeschleudert. Aber das wäre nicht das Ende des Kampfes gewesen. Das Badezimmer war klein und die Angriffslust der Schlange berüchtigt.
Stattdessen schlenkerte sie ihren Arm. Sie konnte mit einer Peitsche umgehen, da sie Omaha einmal eine zu Weihnachten geschenkt hatte, als ironischen Kommentar zu Karas Beharren, ihn Indiana Jones zu nennen. Dieselbe Technik benutzte sie jetzt und knickte mit einer schnellen, geschickten Bewegung das Handgelenk ab.
Die vom Herumwirbeln bereits benommene Schlange konnte nicht rechtzeitig reagieren. Ihr langer Körper musste uralten physikalischen Gesetzen gehorchen und schnellte nach außen. Der Kopf knallte mit solcher Wucht gegen die Wand, dass eine Fliese einen Sprung bekam.
Blut spritzte in einem roten Nebel.
Der Körper zuckte noch einmal in ihrer Hand und erschlaffte dann. Der Kopf fiel ins Badewasser zurück und hing neben ihren Schenkeln.
»Mistress al-Maaz!«
Safia drehte den Kopf, und sie sah den Butler Henry, vom Schrei des Mädchens angelockt, in der Tür stehen. Er hatte dem entsetzten Mädchen eine Hand auf die Schulter gelegt.
Safia starrte hinunter auf die schlaffe Schlange, auf ihre eigene Nacktheit. Eigentlich hätte sie sich schämen und versuchen müssen, sich zu bedecken, stattdessen aber ließ sie den Schuppenkörper aus der Hand gleiten und stieg aus der Wanne.
Nur die zitternden Finger verrieten sie.
Henry zog ein dickes Frotteebadetuch von einem Wärmeständer. Er
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