Sigma Force 02 - Feuermönche
Lippen hatte sie jedoch fest zusammengepresst. Die Muskeln ihres langen Halses waren so straff gespannt wie Bogensehnen. Obwohl er nachgegeben hatte, war sie immer noch wütend.
Woher hatte Rachel gewusst, was er zusammen mit ihrem Onkel entschieden hatte? Ihr Einfühlungsvermögen war ebenso bemerkenswert wie die entschlossene Art, mit der sie den Konflikt gelöst hatte. Er erinnerte sich jedoch auch, wi e v erletzbar sie im Turm des Kölner Doms gewirkt hatte, als sie sich über den Abgrund hinweg in die Augen gesehen hatten. Gleichwohl war sie weder im Kugelhagel noch im Flammeninferno zusammengebrochen.
Einen Moment lang trafen sich ihre Blicke im Rückspiegel. Trotz der Sonnenbrille wusste er, dass sie ihn musterte. Verlegen schaute er weg.
Unwillkürlich ballte er auf dem Knie die Fäuste.
Noch keine Frau hatte Gray dermaßen durcheinander gebracht wie sie. Er hatte ein paar Freundinnen gehabt, doch es hatte nie länger gedauert als ein halbes Jahr. Die längste Beziehung war zu High-School-Zeiten gewesen. In seiner Jugend war er zu hitzköpfig gewesen und dann bei der Army und den Rangern zu karrierebewusst. Nie war er länger als sechs Monate irgendwo sesshaft gewesen, deshalb beschränkten sich die Romanzen zumeist auf ein langes Wochenende. Aber noch nie hatte er eine Frau kennen gelernt, die ebenso frustrierend wie reizvoll war: eine Frau, die sich beim Essen amüsierte und sich im nächsten Moment als ebenso hart erwies wie geschliffener Diamant.
Er lehnte sich zurück und betrachtete die vorbeigleitende Landschaft. Sie hatten die Seen Norditaliens hinter sich gelassen und die Voralpen erreicht. Es war eine kurze Fahrt. Bis Mailand war es lediglich eine Dreiviertelstunde.
Gray kannte sich gut genug, um zu verstehen, weshalb er sich zu Rachel hingezogen fühlte. Das Laue, Nüchterne, Unentschlossene hatte ihn noch nie interessiert. Doch er war auch kein Liebhaber der Extreme, des Ungestümen, Grellen, Misstönenden. Bislang hatte er die Harmonie vorgezogen, das Verschmelzen der Extreme zu einem Gleichgewicht, das beider Eigenart bewahrte.
Im Grunde war das eine taoistische Betrachtungsweise: Yin und Yang.
Selbst in seiner Karriere fand das seinen Widerhall – der Wissenschaftler und der Soldat. Sein Studienfach trachtete danach, Biologie und Physik zu vereinen. Painter Crowe gegenüber hatte er seine Wahl einmal folgendermaßen begründet: » Die ganze Chemie, Biologie und Mathematik laufen letztlich auf positiv und negativ hinaus, auf die Null und die Eins, das Licht und das Dunkel. «
Grays Aufmerksamkeit wandte sich wieder Rachel zu. Sie verkörperte seine Philosophie in Fleisch und Blut.
Er beobachtete, wie Rachel die Hand hob und sich den steifen Hals massierte. Als sie die empfindliche Stelle fand, teilten sich ihre Lippen. Er hätte gern gewusst, wie sie schmeckten.
Bevor seine Gedanken noch weiter abdriften konnten, jagte sie den Mercedes um eine enge Kurve, so dass Gray gegen den Türrahmen gedrückt wurde. Sie ließ die Hand sinken, schaltete einen Gang runter, gab Gas und beschleunigte weiter.
Gray klammerte sich fest. Monk stöhnte.
Die Andeutung eines Lächelns spielte um Rachels Lippen.
Wer konnte dieser Frau schon widerstehen?
0 6 :07
Washington , D. C.
A cht Stunden ohne Nachricht.
Painter ging im Büro unruhig auf und ab. Seit zehn Uhr gestern Abend war er auf Posten – seit ihn die Nachricht von der Explosion im Kölner Dom erreicht hatte. Seitdem trafen die Informationen nur schleppend ein.
Ausgesprochen schleppend.
Die Ursache des Brandes: mit Schwarzpulver, weißem Phosphor und dem Brandbeschleuniger LA-90 gefüllte Bomben. Drei Stunden hatte es gedauert, bis das Feuer so weit eingedämmt war, dass man die Kathedrale wieder betreten konnte. Das Innere des Doms aber war voller Rauch und giftiger Bombensplitter, und bis auf die Steinwände und Böden war alles verbrannt. Verkohlte Skelette wurden entdeckt.
War das sein Team?
Weitere zwei Stunden dauerte es, bis gemeldet wurde, das s b ei zwei der Leichen Waffen gefunden worden waren. Sturmgewehre, wie sie von seinem Team nicht verwendet wurden. Also waren zumindest einige der Leichen den unbekannten Tätern zuzuordnen.
Aber was war mit den anderen?
Die Satellitenüberwachung erwies sich als nutzlos. Zur Tatzeit war die Gegend nicht ausgespäht worden. Die Aufzeichnungen der privaten und städtischen Überwachungskameras im Umkreis des Tatorts wurden noch ausgewertet. Ein Obdachloser, der in der Nähe
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