Sigma Force 05 - Das Messias-Gen
lediglich ein paar Telefonate geführt und war unter Bewachung zur Toilette gegangen.
An der anderen Bettseite standen Lisa und Malcolm, beide hielten Notizblöcke in der Hand. Sie verglichen Aufzeichnungen und Zahlen, die so unverständlich waren wie eine Geheimsprache.
Lisa lächelte, als Kat sich ihnen näherte. »Sie hat sich erstaunlich gut erholt. Ich könnte Jahre damit verbringen, die Wirkungsweise der Behandlung zu studieren.«
»Aber das ist doch nur eine Notlösung«, meinte Kat und nickte zu Juri hinüber.
Lisa wandte sich ernüchtert dem Mädchen zu. »Das stimmt.«
Juri hatte für Sascha eine Langzeitprognose abgegeben. Das Implantat schmälerte ihre Lebenserwartung. Es hatte sie in Brand gesetzt wie die Flamme eine Kerze und würde sie verzehren, bis nichts mehr übrig blieb. Je größer die Begabung, desto heißer die Flamme.
Kat hatte Juri gefragt, wie hoch er die Lebenserwartung des Kindes einschätze. Von seiner Antwort war ihr ganz kalt geworden. Aufgrund ihrer außerordentlichen Begabung bleiben ihr noch vier bis fünf Jahre.
Kat hatte innerlich vor dem Urteil zurückgeschreckt.
McBride hingegen hatte sich erleichtert gezeigt und seiner Überzeugung Ausdruck verliehen, dass der Einfallsreichtum der Amerikaner die Lebenserwartung des Mädchens sicherlich verdoppeln würde, was immer noch bedeutet hätte, dass Sascha nicht einmal ihren zwanzigsten Geburtstag erleben würde.
Lisa fuhr fort: »Ihre einzige Hoffnung besteht darin, dass das Implantat entfernt wird. Sie würde ihre besonderen Fähigkeiten verlieren, aber wenigstens weiterleben.«
McBride meldete sich hinter ihnen zu Wort. »Sie würde vielleicht weiterleben, aber in welchem Zustand? Das Implantat steigert nicht nur ihre Savant-Begabung, sondern dämpft auch die autistischen Symptome. Nimmt man ihr das Implantat, dann bleibt ein Kind übrig, das keinerlei Kontakt zur Außenwelt mehr hat.«
»Immer noch besser als das Grab«, beharrte Kat.
»Tatsächlich?«, entgegnete McBride herausfordernd. »Wer kann das beurteilen? Mit dem Implantat führt sie ein ausgefülltes Leben, so kurz es auch sein mag. Viele Kinder sind aufgrund ihres körperlichen Zustands von Geburt an zum Sterben verurteilt. Sie leiden an Leukämie, Aids, Missbildungen. Sollte es nicht eher darum gehen, ihre Lebensqualität zu verbessern, anstatt ihr Leben lediglich zu verlängern?«
Kat blickte ihn finster an. »Sie wollen sie lediglich für Ihre Zwecke missbrauchen.«
»Seit wann ist gegenseitiger Nutzen denn etwas Schlechtes?«
Kat kehrte ihm den Rücken zu, enttäuscht von seinen Argumenten und Rechtfertigungen. Das war monströs. Wie konnte er das alles nur rechtfertigen? Zumal das Leben eines Kindes auf dem Spiel stand.
Sascha war immer noch mit dem Malbuch beschäftigt. Sie zeichnete mit einem dunkelgrünen Farbstift. Ihre Hand bewegte sich rasend schnell und scheinbar willkürlich über die Seite.
»Ist es gut für sie in ihrem Zustand, wenn sie malt?«, fragte Kat.
Juri regte sich; die Unterhaltung hatte ihn aufgeweckt. »Nach einer solchen Episode tut ihr Ablenkung gut«, brummte er und räusperte sich. »Das ist, als wenn ein Überdruckventil geöffnet würde. Solange das Implantat nicht von außen aktiviert wird, hat eine solche Beschäftigung eine beruhigende Wirkung.«
»Jedenfalls wirkt sie ganz glücklich«, räumte Kat ein.
Auf Saschas entspanntem Gesicht zeichnete sich der Anflug eines Lächelns ab. Sie richtete sich auf und streckte ihre kleine Hand zu Kat aus. Sie sagte etwas auf Russisch und zupfte mit ihren Fingerchen an Kats Ärmel.
Kat blickte Juri fragend an.
Er grinste müde. »Sie hat gemeint, Sie sollten ebenfalls glücklich sein.«
Sascha schob Kat das Malbuch zu, als fordere sie sie zum Mitmachen auf. Kat setzte sich auf einen Stuhl und schlug das Buch auf. Als sie merkte, dass Sascha keinen Vordruck ausgemalt, sondern auf einer leeren Seite gezeichnet hatte, runzelte sie die Stirn. Das Bild war erstaunlich realistisch. Ein Mann stakte ein Floß durch einen dunklen Wald. Hinter ihm waren weitere Personen angedeutet.
Kats Hände begannen zu zittern. Sie kannte den Mann auf dem Floß. Sie bemühte sich zu begreifen. Der Mann ähnelte Monk. Aber sie konnte sich nicht erinnern, dass Monk je auf einem Floß gewesen wäre. Wie war das Mädchen darauf gekommen?
Sascha spürte anscheinend ihre Unruhe. Ihr Lächeln machte einem verwirrten Ausdruck Platz. Ihre Lippen begannen zu zittern, als fürchtete sie, etwas Falsches
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