Sigma Force 05 - Das Messias-Gen
radioaktiv strahlendes Wasser in den Erdboden. Mit diesem Anblick würde sie sich während des Wartens trösten.
Plötzlich knallten Schüsse.
Die Kinder …
Sie zuckte zusammen und wandte sich zur Tür.
In diesem Moment trat jemand aus dem Schatten hervor und verstellte ihr den Weg.
Ein Junge.
Pjotr.
Pjotr stand im Eingang des Bunkers und blickte die Frau an. Im düsteren Treppenhaus zeichnete sie sich als Schatten ab. Er konnte sie nicht genau sehen, dennoch erkannte er sie. Er konzentrierte sich auf die Flamme ihres Herzens.
»Pjotr!«, rief sie mit jäher Hoffnung.
Als sie auf ihn zutrat, hob er die Arme und griff nach ihr - nicht körperlich, sondern mit flammendem Geist. Er umfasste die Flamme ihres Herzens mit den Händen und hielt sie fest wie einen verängstigten Vogel. Dann drückte er behutsam zu und erstickte die Flamme.
Mit einem Aufschrei fiel die Frau auf die Knie und fasste sich an die Brust. »Pjotr, was tust du da?«
Ihre Hoffnung machte Entsetzen Platz; sie schrie.
Doch er war noch nicht fertig mit ihr.
Pjotrs empathische Begabung wies noch eine andere Facette auf. Allein auf sich gestellt, nahm er die Emotionen anderer Menschen wahr, doch mit der Unterstützung von hundert Kindern vermochte er noch weit mehr.
Während er die Frau mit hundert Augenpaaren fixierte, nahm er in sich auf, was sie ihm darboten: den Schmerz des Skalpells, die quälende Einsamkeit, die Kälte der Vernachlässigung, die Qual des nächtlichen Missbrauchs. Und er griff noch weiter in die Vergangenheit zurück, bis zu einem blauäugigen Kind in einer dunklen Kirche, das eine Frau und einen Mann näher kommen sah. Er nahm die Angst, die dieses Kind verspürte hatte, und stieß sie der Frau wie einen Dolch ins Herz.
Sie schrie auf und warf sich nach hinten, gefangen in niemals endendem Schmerz.
Während die dunklen Emotionen Pjotr durchströmten, wurde auch er von ihrem Feuer versengt. Er vergoss heiße Tränen über die verlorene Unschuld, auch seine eigene.
Die Pistole, die auf ihn gerichtet wurde, nahm er kaum wahr.
Die Frau wollte blindlings töten, was sie quälte.
Ein Schuss zerriss die Stille.
Pjotr prallte zurück, und die Flamme der Frau erlosch zwischen seinen Handflächen. Während er taumelte, brach sie zusammen. Die Hälfte ihres Gesichts war verschwunden. Pjotr blickte auf und sah Monk mit qualmender Pistole die Treppe herunterstürmen.
Der Mann sprang über die Frau hinweg und schloss den Jungen in die Arme.
»Pjotr!«
Monk hob den Jungen hoch und tastete den schmalen Körper ab. Er schien unverletzt, doch seine Haut war fiebrig erhitzt. Er drückte Pjotr an seine Brust.
Auch die anderen kamen die Treppe heruntergerannt.
Bei einem kurzen Feuergefecht hatten sie die Verteidiger ausgeschaltet. Die Russen waren im Begriff gewesen, das Feuer auf eine Gruppe bewusstloser Kinder zu eröffnen.
Wären sie auch nur eine halbe Minute später gekommen …
Die Zigeuner sicherten oben die Umgebung und bewachten die Kinder. Einstweilen waren sie in Sicherheit.
»Ist das die Zentrale?«, fragte Gray.
Monk, der noch immer den Jungen in den Armen hielt, betrat mit den anderen zusammen den Bunker. Die Schalttafel qualmte aus tiefen Rissen. Die Tastaturen waren zerbrochen. Glasscherben knirschten unter den Füßen. Abgesehen von einer Reihe Wandmonitore war alles zerstört.
Monk zeigte auf den mittleren Bildschirm. Er kannte den Raum. Das war das Zentrum der Operation Saturn. Jetzt aber ergoss sich durch ein Loch in der Decke ein dicker Strahl schwarzes Wasser, das strudelnd in einem Bodenschacht verschwand.
»Die Operation hat schon begonnen«, sagte er mit hohler Stimme. »Wir sind zu spät gekommen.«
Auf dem daneben befindlichen Bildschirm sah Monk die Höhle, in der er Konstantin und die anderen Kinder zurückgelassen hatte. Die Kinder lagen auf dem Boden. Das Bild war zu körnig, um erkennen zu können, ob sie noch lebten. Waren sie etwa der Strahlung erlegen?
Abgrundtiefe Verzweiflung machte sich in ihm breit.
Während Gray das Satellitentelefon hervorholte, musterte Monk die anderen beiden Personen: Kowalski und Rosauro. Er versuchte, einen Erinnerungsfetzen zu fassen, doch es gelang ihm nicht. Wer waren diese Menschen? Wenn sie seine
Freunde waren, hätte er dann nicht irgendwelche Gefühle zeigen müssen?
Während er sie musterte, legte Pjotr die Hand auf den mittleren Bildschirm.
»Was macht er da?«, fragte Gray, das Telefon ans Ohr gedrückt.
Monk richtete seine Aufmerksamkeit
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