Sigma Force 05 - Das Messias-Gen
Niedergeschlagenheit waren all die Androgene, Stärkungsmittel und chirurgischen Eingriffe machtlos. Die lähmende Angst hatte seine
Gliedmaßen in so etwas wie schmerzendes Blei verwandelt; die Sorge hatte tiefe Falten in sein Gesicht gegraben.
»Wir werden Ihre Enkelin schon finden«, hatte ihm der Chef der Sicherheitsabteilung versichert. »Wir haben den Zoo geschlossen. Alle verfügbaren Leute suchen nach ihr.«
Juri war allein mit einer blonden jungen Frau, die höchstens fünfundzwanzig war. Wie alle Zooangestellten war sie mit einer khakifarbenen Uniform bekleidet. Auf dem Namensschild stand TABITHA. Sie wirkte nervös, da sie nicht wusste, wie sie mit seiner Niedergeschlagenheit umgehen sollte. Sie erhob sich und kam hinter dem Schreibtisch hervor.
»Möchten Sie vielleicht jemanden anrufen? Einen Familienangehörigen?«
Juri hob den Kopf und musterte sie kurz. Ihre rosige Jugend … die vielen Jahre, die noch vor ihr lagen. Ihm wurde bewusst, dass er kaum älter gewesen war als sie, als er in den Karpaten aus dem klapprigen Laster ausgestiegen war. Er wünschte, er hätte das Zigeunerlager nie gefunden.
»Möchten Sie telefonieren?«, fragte sie.
Er nickte langsam. » Da .« Er durfte es nicht länger hinausschieben. Mapplethorpe hatte er bereits benachrichtigt, vor allem deshalb, weil er sich die Unterstützung der örtlichen Polizei erhofft hatte. Mapplethorpe aber war abgelenkt gewesen, beschäftigt mit der Jagd nach dem gestohlenen Gegenstand. Er hatte Dr. Polks Tochter erwähnt. Juri aber war das alles inzwischen gleichgültig. Nichtsdestotrotz hatte Mapplethorpe ihm versprochen, wegen des verschwundenen Kindes Alarmstufe Gelb auszurufen. Sämtliche verfügbaren Einsatzkräfte in Washington und den umliegenden Countys würden alarmiert werden. Das Kind musste gefunden werden.
Sascha …
Im Geiste sah er ihr rundliches Gesicht und ihre hellblauen Augen vor sich. Er hätte ihr nicht von der Seite weichen dürfen.
Er konnte nur hoffen, dass sie lediglich auf eigene Faust losmarschiert war. Doch auch das war in einem zoologischen Garten voller wilder Tiere nicht ungefährlich. Oder hatte jemand sie womöglich mitgenommen und entführt? In ihrem gegenwärtigen Zustand war sie fügsam und leicht zu beeinflussen. Juri wusste, dass sich hier viele Pädophile herumtrieben. Sogar im Bau hatte es mit den ersten Angestellten ein paar Probleme gegeben. Dort lebten viele Kinder, zu viele. Da waren Fehler nicht zu vermeiden.
Doch nicht alle Missbrauchsfälle waren auf Fehler bei der Personalauswahl zurückzuführen gewesen.
Vor diesem Gedanken scheute er zurück.
Tabitha brachte ihm ein schnurloses Telefon.
Juri lehnte kopfschüttelnd ab und nahm sein Handy aus der Tasche. »Danke, aber das ist ein Ferngespräch«, erklärte er. »Nach Russland. Ich möchte ihre Großmutter anrufen. Da nehme ich besser das Handy.«
Tabitha nickte und wandte sich zum Gehen. »Ich lasse Sie einen Moment allein.« Sie begab sich nach nebenan ins Büro.
Juri wählte. Ein kleiner, vom russischen Geheimdienst entwickelter Chip würde dafür sorgen, dass das Signal über mehrere Funkmasten umgeleitet wurde, bis es nicht mehr zurückzuverfolgen wäre. Dazu kam noch die Verschlüsselung.
Er fürchtete sich vor dem Anruf, konnte aber nicht länger warten. Der Bau musste informiert werden, doch dort war es noch früh am Morgen. Noch nicht einmal vier Uhr. Gleichwohl meldete sich sogleich eine barsche Stimme.
»Ja, was gibt’s?«
Juri stellte sich seine Gesprächspartnerin vor, seine unmittelbare Vorgesetzte Dr. Sawina Martowa. Gemeinsam hatten sie die Kinder entdeckt und im Team den Bau begründet, doch aufgrund von Martowas Beziehungen zum ehemaligen KGB war er ihr unterstellt worden. In Russland gab es ein Sprichwort:
Aus dem KGB tritt niemand aus . Ganz gleich, was westliche Politiker glauben mochten, galt das auch für den gegenwärtigen russischen Präsidenten. Er umgab sich noch immer mit ehemaligen Angehörigen des sowjetischen Geheimdienstes. Bedeutende Aufträge wurden alten Geheimdienstlern zugeschanzt.
Und Dr. Sawina Martowa stellte keine Ausnahme dar.
»Sawina, wir haben hier ein größeres Problem«, sagte er auf Russisch.
Er stellte sich vor, wie ihr Gesicht einen frostigen Ausdruck annahm. Auch sie hatte sich hormonellen, chirurgischen und kosmetischen Behandlungen unterzogen, die bei ihr jedoch weit besser angeschlagen hatten als bei Juri. Sie hatte noch immer dunkles Haar, und ihre Gesichtszüge waren kaum
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