Sigma Force 05 - Das Messias-Gen
»Mein Vater begann, Berichte über Menschen mit speziellen geistigen Fähigkeiten zu lesen. Spinner und Scharlatane siebte er aus und konzentrierte sich auf die seltenen verifizierten Fälle, die wissenschaftlich untersucht worden waren. Zum Beispiel von Albert Einstein.«
Gray vermochte seine Überraschung nicht zu verhehlen. »Einstein?«
Ein Nicken. »Um 1900 herum wurde an den Universitäten der ganzen Welt eine Inderin namens Shakuntala herumgereicht, die dort ihre Fähigkeiten demonstrierte. Ihr Schulabschluss entsprach lediglich unserem Highschool-Abschluss, doch sie verfügte über eine unerklärliche mathematische Begabung. Sie konnte im Kopf die umfangreichsten Berechnungen anstellen.«
»Eine Art Savant?«, fragte Painter.
»Eigentlich mehr als das. Mit einem Stück Kreide schrieb die Frau die Lösung für ein mathematisches Problem an die Tafel, noch ehe die Frage gestellt worden war. Auch Einstein war bei einer solchen Demonstration dabei. Er legte ihr ein Problem vor, für dessen Lösung er drei Monate gebraucht hatte, zahlreiche Zwischenrechnungen eingeschlossen. Noch ehe er die Frage ausformuliert hatte, schrieb sie auch schon die Lösung auf, welche die ganze Breite der Tafel einnahm. Er fragte sie, wie sie das anstelle, doch sie wusste es selbst nicht und erklärte, die Zahlen erschienen einfach vor ihren Augen und sie schreibe sie lediglich auf.«
Elizabeth musterte ihre Zuhörer, offenbar auf Skepsis gefasst. Gray aber forderte sie lediglich wortlos dazu auf fortzufahren. Das Ausbleiben von Einwänden schien sie zu irritieren.
»Es gab auch noch weitere ähnliche Fälle«, sagte sie. »Auch
wieder in Indien. Ein junger Rikschafahrer aus Madras konnte mathematische Probleme lösen, ohne die Frage überhaupt gehört zu haben. Seine Erklärung lautete, er verspüre eine Art Beklommenheit, wenn sich jemand in seiner Nähe aufhalte, der ein mathematisches Problem mit sich herumtrage. Die Lösung sehe er einfach vor sich, die Zahlen aufgereiht wie Soldaten. Man brachte ihn nach Oxford und stellte ihn auf die Probe. Man legte ihm mathematische Fragen vor, die zur damaligen Zeit unlösbar waren. Jahrzehnte später, als die Mathematik sich weiterentwickelt hatte, erwiesen sich seine Lösungen als richtig. Inzwischen war der Junge jedoch schon an Altersschwäche gestorben.«
Elizabeth stellte den Becher ab. »So erstaunlich diese Fälle auch gewesen sein mögen, bereiteten sie meinem Vater doch eher Frust. Er brauchte lebende Versuchspersonen. Während er weiter anekdotische Hinweise zusammentrug, stellte er fest, dass die interessantesten Fälle in Indien zu finden waren, nämlich unter den Yogis und Mystikern. Um diese Zeit herum erforschten andere Wissenschaftler die physiologischen Grundlagen vieler spezieller Fertigkeiten der Yogis wie zum Beispiel die, tagelang Kälte auszuhalten, indem sie willentlich die Durchblutung der Gliedmaßen und der Haut beeinflussen. Oder monatelanges Fasten aufgrund eines herabgesetzten Stoffwechsels.«
Gray nickte. Er hatte sich ebenfalls schon mit derartigen Yogi-Praktiken befasst. Alles lief letztlich auf geistige Kontrolle hinaus, auf die bewusste Beeinflussung von vegetativen Körperfunktionen.
»Mein Vater vertiefte sich in die indische Geschichte und Sprache und befasste sich auch mit alten vedischen Prophezeiungen. Er suchte erfahrene Yogis auf und untersuchte sie. Er bestimmte ihre Blutwerte, maß die Gehirnströme und machte CT-Aufnahmen des Gehirns. Er analysierte sogar ihre
DNA, um die Abstammung der größten Begabungen zu klären. Letztlich suchte er nach dem wissenschaftlichen Beweis für die organische Grundlage des Phänomens, das die Russen mit der Katze und ihren Jungen demonstriert hatten.«
Painter lehnte sich auf dem Sofa zurück. »Kein Wunder, dass er für das Stanford-Projekt angeworben wurde. Seine Forschungen passten hervorragend zu den Zielsetzungen.«
»Aber warum wurde mein Vater ermordet? Das ist doch schon Jahre her.« Sie suchte Grays Blick. »Und was hat der seltsame Affenschädel damit zu tun?«
»Das wissen wir noch nicht«, antwortete Painter, »aber morgen sollten wir mehr über den Schädel erfahren.«
Gray konnte nur hoffen, dass er recht behalten würde. Bei Sigma hatte man ein Expertenteam zusammengetrommelt, das den Schädel untersuchen sollte. Gray hatte ihn nur widerwillig per Kurier in die Sigma-Zentrale geschickt. Er spürte, dass der Schädel der Schlüssel zur Lösung des Geheimnisses war, und den gab er nur
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