Sigma Force 05 - Das Messias-Gen
gegenwärtigen technologischen Entwicklungsstand haben wir gerade mal die ersten zaghaften Schritte ins wissenschaftliche Neuland getan. So wie man Sonden in den Weltraum schießt, haben wir Elektroden ins Gehirn eingeführt. Der gesamte Input des Gehirns wird durch elektrische
Impulse übermittelt. Wir sehen nicht mit unseren Augen. Wir sehen mit dem Gehirn. Das ist der Grund, weshalb man bei Gehörlosen mit Cochlea-Implantaten das Gehör wiederherstellen kann. Das Implantat wandelt die Geräusche in elektrische Impulse um, die mittels einer in den Hörnerv eingesetzten Elektrode ins Gehirn übermittelt werden. Mit der Zeit lernt der Kortex, das neue Signal zu interpretieren, und wie beim Erlernen einer unbekannten Sprache lernt der Taube wieder hören.«
Malcolm deutete auf den Laptop. »Das menschliche Ge - hirn - das sich aufgrund seiner Funktionsweise an das neue Signal anpassen kann - besitzt die angeborene Fähigkeit, sich mit Maschinen zu verbinden. In gewisser Hinsicht sind wir daher ideale Cyborgs.«
Painter runzelte die Stirn. »Worauf wollen Sie hinaus?«
Lisa berührte beschwichtigend seine Hand. »Wir sind fast schon am Ende. Die Grenze zwischen Mensch und Maschine ist bereits löchrig geworden. Inzwischen verfügen wir über winzige Mikroelektroden, die man in einzelne Neuronen einführen kann. Im Jahr 2006 wurde einem Gelähmten ein mit hundert dieser Mikroelektroden verknüpfter Mikrochip ins Gehirn implantiert. Nach viertägigem Üben konnte der Mann - allein mittels Gedankenkraft - einen Computercursor auf dem Bildschirm bewegen, E-Mails öffnen, einen Fernseher bedienen und einen Roboterarm steuern. So weit sind wir schon.«
Painter blickte zum Fenster. »Und jetzt ist jemand noch weiter gegangen?«
Lisa und Malcolm nickten gleichzeitig.
»Und das Implantat?«, fragte Painter.
»Übertrifft alles, was uns bekannt ist. Die Elektroden aus Nano-Filamenten sind so winzig, dass man kaum erkennen kann, wo das Implantat endet und das Gehirn des Kindes anfängt.
Die Basisfunktion aber ist gut bekannt. Von Studien her, die in Harvard an Ratten durchgeführt wurden, wissen wir, dass TMS-Geräte das Wachstum von Gehirnzellen anregen - seltsamerweise jedoch nur in den Regionen, die für das Lernen und das Gedächtnis zuständig sind. Weshalb das so ist, wissen wir noch nicht. Aber wir wissen, dass man die Neuronen mit magnetischer Stimulation auch ein- und ausschalten kann wie mit einem Schalter. Kinder sind dafür besonders empfänglich.«
»Wenn ich dich richtig verstanden habe, hat also jemand dem Kind ein solches Gerät implantiert, um das Nervenwachstum in einer bestimmten Hirnregion zu stimulieren, und jetzt funktioniert das wie ein Schalter.«
»Im Wesentlichen trifft das zu«, sagte Malcolm. »Man hat es tief in das riesige neuronale Netzwerk eingeführt, von dem ich gesprochen habe. Mit der magnetischen Stimulation neuer Neuronen wurde das Netzwerk jedoch ausgeweitet. Und wenn ich mich nicht irre, beschränkt sich die Erweiterung auf eine eng begrenzte Region.«
»Wie kommen Sie darauf?«
»In der Neurologie gibt es ein Gesetz. Das Hebbsche Gesetz. Im Wesentlichen besagt es Folgendes: Nerven, die gemeinsam feuern, werden miteinander verbunden. Stimuliert man eine bestimmte Hirnregion, wird die Verbindung immer weiter gestärkt.«
»Aber wozu das Ganze?«, fragte Painter.
Malcolm wechselte einen besorgten Blick mit Lisa. Er wollte, dass sie die Frage beantwortete.
Sie seufzte. »Ich habe mit Zach Larson, dem Psychologen, gesprochen, der das Mädchen eingangs untersucht hat. Aufgrund ihrer fehlenden Reaktionen, ihrer wiederkehrenden Verhaltensmuster und ihrer Empfindlichkeit für äußere Reize geht Zach davon aus, dass sie autistisch ist. Und so, wie
Sie ihr Verhalten in der konspirativen Wohnung beschrieben haben, handelt es sich wahrscheinlich um einen autistischen Savant.«
Painter hatte Larsons Bericht ebenfalls gelesen. Der Bericht war eilig geschrieben, aber informativ. Larson hatte eine Reihe von psychologischen Tests durchgeführt, unter anderem auch einen Gentest auf Marker, die für Autismus charakteristisch waren. Dessen Ergebnis stand noch aus.
Außerdem hatte er einige Berichte zum Thema autistische Savants beigelegt. Die Vertreter dieser Gruppe waren zwar aufgrund ihrer Krankheit mehr oder weniger behindert, wiesen aber bisweilen erstaunliche Inselbegabungen auf. Auf einem sehr eng begrenzten Gebiet. Painter erinnerte sich an Dustin Hoffmans Rolle im Film Rain Man . Der
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