Sigma Force 06 - Das Flammenzeichen
mit blutender Nase und qualmendem Rücken, machte Kowalski sich zwei Dinge klar. Eben noch hatte er keine Treppe gesehen. Und schlimmer noch, er ahnte, wo er sich befand.
15:28
OBWOHL IHM VON der Granatenexplosion noch die Ohren klingelten, hörte Gray jemanden seinen Namen rufen, gefolgt von einem Schwall derber Flüche.
»Lauft!«, rief Gray.
Er packte Rachel; Seichan schnappte sich Wallace. Sie rannten unter dem Helikopter her, huschten zwischen den baumelnden Seilen hindurch. Die Druckwelle der Granate hatte sich als Feuerball nach außen ausgebreitet. Selbst der Helikopter war einen Moment lang ins Trudeln geraten, wodurch sie Gelegenheit hatten, unbehelligt zum Kreuzweg zu rennen.
Ein großer Teil des Klosters war jetzt eine verrußte, qualmende Ruine.
Gray hatte beobachtet, wie Kowalski sich im letzten Moment aus der Explosionszone in Sicherheit gebracht hatte. Dann aber war der Hüne so plötzlich von der Bildfläche verschwunden, als wäre er in einen Brunnen gestürzt – nein, ein Brunnen war es bestimmt nicht gewesen.
»Schafft euren Arsch hier rüber!«
Es gab nur eine Sache, die Kowalski Angst einjagte.
Alle vier suchten im Kreuzgang Zuflucht. Gray sah es auf den ersten Blick. Im Boden hatte sich eine schmale Treppe aufgetan. Dann hatte er mit seiner Vermutung also richtig gelegen. Durch das Drehen des Kompasses hatten sie einen Geheimgang geöffnet.
»Beeilung«, sagte er.
Der Helikopter hatte sich wieder stabilisiert, und Männer in Kampfmontur seilten sich ab. Schon setzten sie die Stiefel auf.
»Weiter, weiter, weiter!«, trieb Gray die anderen an.
Sie zwängten sich durch die Öffnung. Gray bildete den Abschluss. Aus dem Augenwinkel sah er, wie einer der Angreifer das Gewehr anlegte. Er duckte sich. Eine Salve pfiff über seinen Kopf hinweg, die Kugeln trafen die Wand. Die Querschläger brannten wie Bienenstiche. Einer traf ihn am Schädel, was sich anfühlte, als sei der Knochen zerschmettert worden.
Es hätte schlimmer kommen können.
Gummigeschosse , machte er sich im Laufen klar. Nicht tödlich. Jemand wollte sie lebendig fassen.
Er stolperte in den Tunnel hinein.
»Da drüben ist ein Hebel!«, rief Kowalski ihm entgegen. »Soll ich ihn umlegen?«
»Ja!«, schrien alle im Chor.
Metall quietschte. Hinter ihnen geriet die Treppe in Bewegung, eine Konstruktion aus versetzt angeordneten Steinplatten. Die Platten stellten sich senkrecht und verschlossen die Öffnung.
Es wurde stockdunkel.
Ein Feuerzeug klickte, eine kleine Flamme erwachte zum Leben. Sie beleuchtete Seichans Gesicht.
»Was nun?«, fragte sie.
Gray wusste, dass sie nur einen Versuch hatten. Rachels Leben – ihr aller Leben – hing davon ab. »Wir müssen den Schlüssel finden.«
30
14. Oktober, 15:33 Clairvaux, Frankreich
KRISTA GING DURCH den Klostergarten. Qualm verdunkelte den Himmel, hin und wieder schwirrte ein Helikopter vorbei.
Auf dem Gefängnisgelände brannten Hunderte Feuer. Unablässig gellten die Sirenen, untermalt von Schüssen und Schreien. Die Gefängniswärter hatten genug mit den ausgebrochenen Gefangenen, den wütenden Bränden und dem allgemeinen Chaos zu tun. Da konnten sie sich nicht auch noch um die Klosterruinen kümmern. Um jedoch sicherzustellen, dass sie auch weiterhin ungestört blieben, ließ Krista von einem zweiten Söldnerteam alle Zugänge zu dem Gelände sichern. Die Helikopter unterstützten die Bodenkräfte mit ihren Bordwaffen.
Eine besonders laute Detonation lenkte Kristas Blick nach Westen. Flammen loderten in den Himmel. Wahrscheinlich war der Treibstofftank beim Hubschrauberlandeplatz in die Luft geflogen. Dieses Ziel sollte als Erstes angegriffen werden.
Krista wollte die Strafanstalt so lange wie möglich von der Außenwelt isolieren. Vor dem Angriff hatte sie Telefon- und sonstige Kommunikationsleitungen kappen lassen. Die einzige Zugangsstraße war vermint. Irgendwann würde Verstärkung
eintreffen, doch bis dahin würde sie längst über alle Berge sein.
Wenigstens hoffte sie das.
Ihr Stellvertreter kam ihr entgegen, ein massiger, dunkelhäutiger Algerier mit Namen Khattab. Mit finsterem Blick schüttelte er den Kopf. »Noch immer kein Kontakt zu den Zielpersonen. «
Sie ließ das Gelände hinter den Ruinen des Kreuzgangs absuchen. Ein Mann hatte auf eine flüchtende Person geschossen; der Beschreibung nach war dies Grayson Pierce gewesen. Aber wo steckten die Gesuchten? Der Bericht des Schützen ergab keinen Sinn. Er hatte ihr die Stelle gezeigt, wo
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