Signal: Roman (German Edition)

seinem Hals hin und her und neigte sich auf den Menschen zu. »Wir wollen nichts erobern. Das ist eine uralte und kontraproduktive Einstellung. Wir möchten nur eine dauerhafte Freundschaft etablieren. Neue Freunde sind immer willkommen.«
    Whispr war nicht überzeugt. »Sie haben eine komische Art, auf andere zuzugehen.«
    »Ihr Volk ist noch nicht bereit, alles zu erhalten. Ihre Welt ist voller Frustration, Verwirrung, Unsicherheit. Sie brauchenHilfe. Wenn sie freigiebig angeboten wird, würden Sie sie nur ablehnen. Als Spezies stehen Sie kurz vor dem Selbstmord. Das schmerzt uns so sehr, wie Sie es sich gar nicht vorstellen können. Wir können nicht daneben stehen und mit ansehen, wie Sie sich selbst vernichten. Das wäre moralisch verwerflich.«
    Der Haufen aus goldenen Dornen, der Sarah war, kam näher. Ingrid blieb stehen. Obwohl sie es noch immer nicht glauben konnte, stellte sie überrascht fest, dass sie keine Angst mehr hatte. Sie kannte die Absichten der Aliens zwar noch nicht, aber ihr Tonfall und ihre Art waren alles andere als bedrohlich. Jetzt fiel ihr wieder ein, was Sarah einige Zeit zuvor gesagt hatte.
    »Sie haben gesagt, Sie würden die Hilfe menschlicher Ärzte benötigen. Warum?«
    Erneut war die männliche Stimme unterhalb des Auges zu hören. »Natürlich um die Implantate zu installieren.«
    »Aha!« Whisprs Stimme klang anklagend. »Wenn das keine feindliche Invasion sein soll, dann weiß ich es auch nicht!« Er drehte sich zu Ingrid um. »Sie reden davon, unsere Jugend zu kontrollieren. Du hast mir selbst gesagt, dass die Implantate bisher nur bei Teenagern gefunden wurden.«
    »Wir kontrollieren niemanden«, entgegnete Sarah. »Was bringt uns ein Freund, der seines freien Willens beraubt ist?«
    Ingrid war hin- und hergerissen zwischen Whisprs Skepsis und dem Protest der Aliens. »Wenn es nicht um Kontrolle geht, was sollen die Implantate dann bezwecken?«
    Das Äquivalent eines Seufzens kam aus der Mitte der miteinander verbundenen goldenen Türme. »Menschliche Kuriere transportieren sie durch die Welt zu jenen Ärzten, die mit uns zusammenarbeiten.«
    »Verräter an der Spezies«, knurrte Whispr. »Der alte Mann,den Cricket und ich in Savannah überfallen haben, das war ein Kurier. Oder ein vereinnahmter Arzt. Oder beides.«
    Ingrid nickte energisch. »Erinnerst du dich an Morgan Ouspels Reaktion, als wir ihm den Faden gezeigt haben? Er nannte ihn einen ›Distributor‹.« Sie sah erneut den Alien Sarah an. »Er war voll mit Ihren Implantaten.«
    »So werden sie transportiert«, gab Sarah zu. »Auf dem Faden existiert eine stabile Dichotomie: ein Feldschaltkreis auf der einen und gefaltetes Metall auf der anderen Seite. Erst wenn beides kombiniert wird, erhält man ein voll funktionstüchtiges Implantat.«
    Ingrid erinnerte sich daran, wie Whispr und sie mehrfach versucht hatten, mithilfe verschiedener Lesegeräte herauszufinden, was auf dem Faden gespeichert war. Kein Wunder, dass es nie geklappt hatte.
    »Als der Distributor, den Sie erwähnt haben, auf Ihrem Kontinent verschwunden ist, wurden Schritte unternommen, um sicherzustellen, dass weder Ihre Stammesregierung noch die weitreichenden Medien davon erfahren. Wir waren nur teilweise in diese prophylaktischen Maßnahmen involviert. Das ist einer der Gründe dafür, warum die anfänglichen Versuche, ihn zurückzuholen, derart unbeholfen und ungelenk ausgeführt wurden. Solche Bergungsoperationen fallen in das Aufgabengebiet unserer menschlichen Partner, von denen ein Teil bei der Organisation arbeitet, die Sie den SAHV nennen.«
    »Noch mehr Verräter.« Whispr konnte sich kaum noch zurückhalten. »Wegen ihrer ›Unbeholfenheit‹ ist einer meiner guten Freunde jetzt tot.«
    »Sie haben uns noch immer nicht verraten, was die Implantate eigentlich bewirken«, schaltete sich Ingrid wieder ein.
    »Die Implantate sind winzige   … Sie würden sie Transmitter nennen.«
    Ingrid erinnerte sich an das signalverstärkende Experiment, das sie im Laden der Technik-Meld Nokhot im Untergrund von Orangemund an dem Faden durchgeführt hatten. »Was übertragen sie?«
    »Endokrine Anregungen«, erklärte Johan. »Neurologische Korrektive. Sehr leichte Anpassungen der Abgabe von Endorphinen und anderen Substanzen. Ihre Spezies existiert noch immer in einem Zustand der evolutionären Stasis, die die Selbsterhaltung über die Kooperation stellt. Das verhindert sowohl das Überleben als auch die Reifung Ihrer Spezies. Da sie momentan auf ein