Signal: Roman (German Edition)

einen Boss.« Er grinste die beiden Aliens an. »Es gibt immer jemanden, der oben ist, der das Sagen hat. Jemanden, der sich mehr für sich selbst als für das angebliche ›Allgemeinwohl‹ interessiert. Welche Spezies ist es?« Er starrte Sarah angespannt an. »Die Turmkollektive?« Er drehte sich zu Johan um, der ihn beobachtete. »Die, die alle im ›Auge‹ behalten können? Oder ist es der säugetierartige Käferriese, dem wir im Korridor begegnet sind, oder eine andere Spezies, die wir noch nicht kennen?«
    Zum zweiten Mal an diesem Tag kam ein Seufzen aus den Tiefen des glänzenden goldenen Wesens namens Sarah. »Wir kennen die Spezies, von der Sie sprechen, Whispr. Sie lebt nicht im Geheimen. Sie sind hier überall, sie verbirgt sich nicht.« Die kathedralenartige Collage aus freibeweglichen goldenen Türmen stand ihm direkt gegenüber.
    »Sie sind es.«

16
    Ingrid starrte zuerst den Alien und dann ihren Gefährten mit offenem Mund an. Zur Abwechslung fehlten Whispr mal die Worte. In diesem Moment hatte ihn selbst sein angeborener Sarkasmus verlassen.
    Sarah brach das Schweigen. »Sie sind ein Meld, Whispr. Wir haben andere Namen für diese bereitwillig vorgenommenen Transformationen, aber Meld ist ebenso gut wie jeder andere. Es ist bekannt, dass die allgemeine Transformation vor vielen Tausend Jahren begonnen hat, als die Technologie der körperlichen und biologischen Manipulationen auf mehreren Welten ein Stadium erreichte, wie es momentan auf der Erde herrscht. Sie könnten es Formfreiheit nennen.
    Wie Ihre Spezies gerade erst zu erkennen beginnt, wird es für jeden möglich, auszusehen, wie immer er will, sobald die Techniken der Zellveränderung, des Zellwachstums, der Veredelungen, die nicht mehr abgestoßen werden können, des ästhetischen Biodesigns und damit verbundener Fähigkeiten beherrscht werden. Jede Gestalt, die man sich vorstellen kann, ist möglich. Wenn sie vergegenwärtigt, geformt, gemalt, holografiert oder beschrieben werden kann, wird sich irgendjemand entscheiden, so auszusehen. Die Evolution des unmittelbaren Individuums wird zu einer persönlichen Entscheidung, die nur durch die Fantasie der Person, die Fähigkeiten des beteiligten Biochirurgen, Gengenieure und anderer Meister der Fleischverformung begrenzt ist. Unsere Äquivalente Ihrer kosmetischen Chirurgen beherrschen Techniken, von denen Ihre noch nicht einmal träumen können.« Sie drehte sich zu Johan um und ließ ihn weitersprechen.
    »Ich für meinen Teil«, erklärte das Augenwesen, »habe zwölf komplette Körperwechsel durchlaufen, oder Melds, wenn Sie es so nennen wollen. Mein anfängliches Ich sah völlig anders aus, ebenso einige meiner zwischenzeitlichen Körperformen. Zwei Mal entschied ich mich, so auszusehen wie die ursprünglichen S’than. Allen historischen Berichten zufolge waren sie die wohl symmetrischsten Wesen. Aber es ist nahezu unmöglich, jemanden zu finden, der heute noch so aussieht. Sie haben sich seit Millennien verändert und manipuliert. Daher sind die S’than, die Sie heute sehen, eher ein respektzollendes Meld einer völlig anderen Spezies, die beschlossen hat, wie die S’than zu werden.
    Begreifen Sie, wie es funktioniert?«, schaltete sich Sarah wieder ein. »Ein Individuum kann beschließen, wie ein Vorfahr, eine andere Spezies oder sogar etwas ganz anderes, das es in der Evolutionsgeschichte noch nie gegeben hat, zu sein. Heute ist es nur noch eine einfache Angelegenheit, bei der man Körper und Geist verschiebt oder organische und anorganische Komponenten austauscht. Als Konsequenz daraus haben sich die zivilisierten Spezies der Galaxis untereinander vermischt. Niemand kann mehr mit Gewissheit sagen, woher ein anderer kommt. Wir sind alle eins mit der Masse. So etwas wie eine Formzugehörigkeit gibt es nicht mehr. Man wird anhand anderer Qualitäten beurteilt. Das wird Ihre Spezies eines Tages auch noch lernen.«
    »Aber nur wenige von Ihnen wissen das bereits«, beschloss sie ihre Ausführungen. »Um eine Panik zu verhindern und Abtrünnigkeit zu vermeiden, bewegen wir uns in der beruhigenden Verkleidung zwischen dem Großteil von Ihnen, um nicht für Verwirrung zu sorgen.«
    »Die Fettanzüge«, dachte Ingrid laut.
    »Genau. Dank interner Mechanismen und Anpassungen sind sie groß genug, um eine Vielzahl verschiedener Formen verbergen zu können.« Ein sich verjüngender Turm deutete in die Richtung ihres Kollegen. »Selbst Johans und meine Gestalt. Die meisten, die mit uns