Signal: Roman (German Edition)
besetzten Körpers hervor.
Ingrid bemühte sich, nicht den Verstand zu verlieren. »Sie sagten, Sie wären keine Melds, wie wir sie kennen. Was bedeutet das? Was haben Sie damit gemeint, als Sie sagten: ›Am Ende gibt es nur noch Melds‹?«
Durch eine kaum merkliche physikalische Bewegung, die möglicherweise auch eine Emotion zum Ausdruck brachte, ordnete Sarah ihre glänzenden goldenen Bestandteile neu an. »Wir sind Melds, Doktor, aber wir haben an einem anderen Punkt angefangen. Wenn ich sage, dass wir keine Melds sind, wie Sie sie kennen, dann meinte ich damit, dass wir keine Menschen sind.«
Whispr legte den Kopf in den Nacken, verdrehte die Augen und sah zur Decke hinauf. »Natürlich sind Sie das nicht.« Dann blickte er zu Ingrid hinüber. »Ich weiß nicht, was hier vor sich geht, Doc. Vielleicht ist das eine Art cleverer Variation des üblichen Eindringlings-Verhör-Szenarios.« Er deutete auf die beiden völlig unbegreiflichen Gestalten, die vor ihnen standen. »Aber ich weiß, dass das nur Melds sind. Oder Maschinen. Möglicherweise wurden sie geschaffen, um uns aus unserer mentalen Ruhezone zu scheuchen, damit wir genug Angst bekommen und tun, was sie wollen.«
Ingrid war weniger schnell bereit, die Behauptung abzutun. Als Ärztin konnte sie es sich nicht vorstellen, wie ein menschlicher Körper verändert, geschoben und gefaltet werden konnte, um das vierfüßige Auge zu ergeben, das Johan darstellte, und erst recht nicht die strukturell unmögliche Gestalt von Sarah. Dennoch galt die Devise: Wenn man die Augen täuschen konnte, würde der Verstand schon mitspielen.
»Sie behaupten, dass Sie … Aliens sind.«
»Allerdings.« Johan sprach in demselben flachen Tonfall, den seine Worte auch schon gehabt hatten, als sie aus dem tarnenden Menschenanzug gekommen waren.
Ingrid stellte fasziniert fest, dass sich sein Facettenauge komplett drehen konnte, wie eine in einem Magnetfeld gefangene Hämatitkugel. Wie musste es sein, in alle Richtungen gleichzeitig sehen zu können?, fragte sie sich. Welche unvorstellbar hochentwickelten neuroptischen Verbindungen wurden benötigt, um derart viele visuelle Informationen zu verarbeiten? Und wo sie gerade dabei war: Wo genau befand sich in diesem fellbedeckten Körper eigentlich das Gehirn?
Sarah bewegte sich in Richtung Tür. »Begleiten Sie uns.«
Als sie den beiden nicht länger verkleideten Gestalten folgten, versuchte Ingrid, den Blickkontakt zu mehreren der anderen übergewichtigen oder vielleicht auch nur übergroßen Wesen herzustellen, denen sie auf dem Flur begegneten. Keines davon sah in ihre Richtung, aber mehrere sprachen mit den eigenartigen Wesen, die sie anführten, oder wechselten einige Gesten. Befanden sich in all diesen missgebildeten Figuren Türme oder Augen? Oder gab es noch andere Formen, andere Gestalten, die möglicherweise sogar noch radikaler waren als die von Sarah und Johan? Waren ihre grundverschiedenen Begleiter nur die Überbringer entsetzlicher Lügen und eigentlich nichts weiter als sehr extreme Melds, wie der skeptische Whispr behauptet hatte? Oder …?
Waren sie Aliens? Was war für die Menschen denn fremdartiger als die Existenz von metastabilem metallischen Wasserstoff? Vielleicht noch quantenverschränkte Zerebralimplantate auf Nanoebene. Ihr Kopf begann zu schmerzen.
War Nerens das Hauptquartier einer Art Invasion? Vorausgesetzt, dass es überhaupt mehr als eine Art gab, sagte sie sich, so ruhig sie konnte.
Als sie zu einer ovalen Öffnung am Ende des Gangs kamen, trat Johan zur Seite und deutete mit einem Augenarm darauf.
»Bitte …«
Ingrid brauchte einen Augenblick, bis sie die Umrisse des Fahrzeugs erkannt hatte, in das sie einsteigen sollte – aber erhatte sie zumindest höflich darum gebeten. Es war durchsichtig wie eine Seifenblase und schien auch nicht sehr viel dicker zu sein. Darin befand sich eine einzige geschwungene Bank, jedoch waren keine Instrumente, Maschinen und auch kein Antrieb zu erkennen. Whispr blieb stehen.
»Wenn wir da einsteigen«, flüsterte er, »dann kommen wir vielleicht nie wieder raus.«
Sie erwiderte seinen besorgten Blick. »Als ob wir eine andere Wahl hätten. Welche Alternative schlägst du vor, Whispr?« Sie deutete den Weg zurück, den sie gekommen waren, den Gang entlang, der nur ein Korridor unter vielen darstellte. »Sollen wir einen Fluchtversuch wagen?« Daraufhin drehte sie sich um, nickte dem Wesen, das sich Johan nannte, verständnisvoll zu, betrat
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