Signal: Roman (German Edition)
internationalen Beziehungen. Das ist meine Heimat, und es ist hilfreich, hin und wieder zu erfahren, wie sie behandelt wird.«
Whispr warf Ingrid einen hilflosen Blick zu. Sie stieß einen Seufzer aus und begann, ihm zu berichten, woran sie sich aus den letzten Nachrichten, die sie gelesen hatte, noch erinnern konnte. Zu ihrem Glück dauerte der leise Austausch zwischen ihr und ihrem Gastgeber nicht lange, und schon bald schliefen sie alle drei tief und fest in einer derart vollkommenen Stille, dass es fast schon schmerzhaft war.
*
In Bezug auf das Klima war der Morgen die exakte Wiederholung des Vortags und auch des Tages davor.
»Es gibt hier jahreszeitbedingte Wetterveränderungen.« Barnato war gerade mit dem Frühstück fertig geworden, das er für sie zubereitet hatte. »Vor allem dann, wenn der Nebel so weit bis ins Landesinnere vordringt. Dann ist es auch hier in der Wüste morgens ziemlich kalt. Doch es ist auch sehr hilfreich bei der Wassergewinnung.«
Ingrid nickte und stand auf. »Vielen Dank für Ihre Gastfreundschaft, für das Essen, für die Unterhaltung, für alles. Aber wir müssen jetzt wirklich aufbrechen.«
»Das verstehe ich.« Er legte seine Essutensilien beiseite und schlurfte ans andere Ende der Ausgrabungsstätte, die gleichzeitig sein Heim war. Als er zurückkehrte, hatte er eine Faust geballt.
»Sie sind beide sehr freundlich zu einem einsamen alten Narren gewesen, daher möchte ich Ihnen etwas geben.« Obwohl er Ingrid ansah, war Whispr nicht beleidigt. Wäre die Situation umgekehrt gewesen, hätte er genau dasselbe getan.
»Sie sind die schönste Frau, die ich seit langer Zeit gesehen habe. Verdammt noch eins«, er kicherte, »Sie sind die einzige Frau, die ich seit langer Zeit gesehen habe. Ich habe Ihnen ja erzählt, dass ich schöne Steine mag. Vielleicht geht es Ihnen ja genauso.« Er öffnete die Hand und reichte ihr einen rauen, glänzenden Stein, der in etwa die Größe ihres Augapfels und die Farbe von Preiselbeerlippenstift hatte. »Den möchte ich Ihnen schenken. Weil ich gerne Steine verschenke und weil ich möchte, dass Sie sich an mich erinnern.« Sein Blick wanderte ein wenig höher. »Er ist ein wenig zu dunkel, sonst hätte er genau die Farbe Ihres Haars.«
Sie nahm den Stein entgegen, hielt ihn gegen das Licht und studierte das stark zerkratzte Geschenk ausgiebig. Ihrer Ansicht nach war sie ihm zumindest so viel schuldig. Später konnte sie den Stein immer noch wegwerfen, wenn sie eine sichere Entfernung zu seinem Heim zurückgelegt hatten.
»Der ist sehr schön. Vielen Dank, Pul.« Umständlich verstaute sie ihn in ihrem Rucksack.
Später, als sie ihren Marsch in Richtung Norden wieder aufgenommen hatten und sie einen Blick über die Schulter warf,sah sie den alten Prospektor am Rand seiner einfachen unterirdischen Behausung stehen. Er winkte ihnen mit allen vier Armen zu, sodass seine beiden Hände und die Grabwerkzeuge durch die Luft wirbelten. Sie winkte zurück.
»So ein vergeudetes Leben.« Whispr sah sich nicht um und winkte auch nicht. »Er lebt in einem Loch im Boden, ernährt sich von Resten und Käfern und schuftet die ganze Zeit für nichts und wieder nichts.« Er deutete auf ihren Rucksack. »Ich hatte gehofft, dass er dir etwas Wertvolles schenkt, aber offensichtlich hat er in all den vergeudeten Jahren nichts gefunden.«
»Doch, das hat er, Whispr«, erwiderte sie. »Er hat sein Glück gefunden. Die meisten Menschen suchen ihr Leben lang danach und kommen doch nicht einmal in seine Nähe.«
Ihr Begleiter schüttelte traurig den Kopf. »Wir beide haben schon immer unterschiedliche Meinungen über das Glück und das Graben im Dreck gehabt, Doc. Ich hätte gern etwas bekommen, das sich verkaufen lässt, und keinen wertlosen Kiesel. Willst du ihn behalten? Ich muss dir wohl nicht sagen, dass das Ding mit jedem Schritt, den du machst, schwerer wird.«
Sie richtete den Blick wieder nach vorn. »Ich weiß noch nicht, ob ich ihn behalten werde. Vielleicht ist er wirklich nichts wert, aber mir gefällt die Farbe. Und was das Gewicht angeht, so werden unsere Rucksäcke umso leerer, je mehr wir von unserer Verpflegung verspeisen.« Sie deutete auf die einprogrammierte Linie, der sie folgten. »Weitaus mehr würde mich interessieren, ob die Position der Quelle, von der Barnato gesprochen hat, mit den Koordinaten eines der Wasserlöcher auf unserer Karte übereinstimmt. Das wäre die erste handfeste Bestätigung dafür, dass uns Morgan Ouspel nicht an der
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