Signal: Roman (German Edition)
machte eine andere Geste. Sie war unglaublich dankbar,als sie sah, dass sein Arm in dieselbe Richtung zeigte, in die sie ebenfalls hatte gehen wollen, als sie glaubte, er hätte sie im Stich gelassen.
»Wir sollten in diese Richtung gehen. Ohne Karte, Anweisungen oder ein GPS haben wir keine andere Wahl. Oder mehr als genug Entscheidungsmöglichkeiten. Kommt darauf an, wie man es sieht.« Er sah ihr in die Augen. »Jetzt müssen wir Nerens nicht nur erreichen, um herauszufinden, was auf dem Faden ist. Wir brauchen außerdem Nahrung und Wasser.« Seine Augen weiteten sich. »Du hast den Faden doch noch?«
Sie zuckte zusammen. In ihrer Verwirrung und Bestürzung hatte sie gar nicht nachgesehen … Sie griff in ihre Bluse und tastete nach der kleinen Tasche, die sie in die Innenseite des linken Körbchens ihres BHs genäht hatte. Nach kurzem Suchen fand eine ihrer Fingerspitzen einen festen Zylinder. Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass die Versiegelung der Kapsel noch intakt war, stieß sie einen erleichterten Seufzer aus.
»Er ist noch da.«
Er schnaufte ebenfalls. »Einen Moment lang dachte ich schon, wir müssten uns mit nackten Händen durch ein paar Dutzend Quadratmeter Sand graben, um etwas zu suchen, das noch kleiner ist als ein Fingerknochen.« Er deutete auf den mit Steinen übersäten Boden. »Wir sollten nachsehen, ob wir noch irgendetwas anderes finden können.« Sein Grinsen kehrte zurück und wirkte so verschmitzt wie eh und je. »Wenigstens müssen wir uns keine Sorgen darüber machen, dass wir unsere gesamten Vorräte verlieren könnten, wenn wir in einen weiteren Sandsturm geraten. Du hast bereits genug im Wasser verloren und ich an den Sturm. Was für eine Art, seine Traglast zu verringern.«
»Dieser Logik habe ich nichts entgegenzusetzen.« Sie grinste ihn an. »Man kann nichts verlieren, was man bereits verloren hat.«
Eine knappe halbe Stunde lang suchten sie die Umgebung ab, ohne noch etwas zu finden. Der Sand hatte alles bis auf seinen Verbandskasten verschlungen. Er war froh, ihn noch zu haben. Der Sand hatte ihr beinahe ihren Gefährten genommen.
Sie war froh, ihn noch zu haben.
*
Sie wanderten durch stark erodierte Felsen und nicht mehr über eine flache Ebene und hatten so viele Möglichkeiten, in Deckung zu gehen und sich vor patrouillierenden Sucherdrohnen der Firma zu verstecken. Außerdem konnten sie hier im Schatten laufen und waren vor der Sonne, die am wolkenlosen Himmel stand, geschützt. Allerdings kamen sie auch langsamer voran. Ironischerweise mussten sie in einer Welt, die vollgestopft war mit hilfreichen elektronischen Geräten, auf die Gestirne am Himmel zurückgreifen, um sich zurechtzufinden.
Es war sehr hilfreich, dass sie beide oft auf Ouspels Karte und seine Anweisungen gestarrt hatten, denn so war ihnen vieles in Erinnerung geblieben, selbst wenn sie den Kommunikator nicht mehr hatten, um ihre Entscheidungen zu überprüfen. Sie sprachen nicht darüber, was passieren würde, wenn sie Nerens nicht fanden, sondern weiter in Richtung Norden marschierten. Jenseits des SAHV -Außenpostens gab es keine Städte und Wissenschaftsstationen mehr, und die Ost-West-Straße (die einzige Ost-West-Straße), die die Städte Lüderitz und Keetsmanshoop miteinander verband, war weiter von Nerens entfernt als die SAHV -Anlage von Orangemund. Wenn sie ihr Ziel verfehlten, würden sie zweifellos in der Wüste zugrunde gehen.
Während sie neben Whispr herlief, schoss es ihr durch den Kopf, dass das Leben selbst in der komplexesten Welt letzten Endes auf die simpelsten Dinge reduziert wurde.
Eigentlich gab es eine einfache Methode, um sich nicht zu verlaufen. Sie mussten nur weiter gen Westen gehen, bis sie ans Meer kamen, und sich dann in Richtung Norden wenden. Aber da sich entlang der Küste überall Diamantenabbaugebiete der Firma befanden und Nerens vom Meer aus beliefert wurde, waren die Chancen gleich null, die Anlage von der Küste aus zu erreichen, ohne entdeckt zu werden. Sie hatten keine andere Wahl, als zu versuchen, sich aus dem weniger gut bewachten Osten anzuschleichen. Aus der Wüste, in die sich nur Narren und Verblendete wagten.
Was davon bin ich? fragte sie sich. Noch vor Kurzem hatte sie anderen erzählt, sie wäre Wissenschaftlerin. Ziemlich viele Narren und Verblendete gehörten ebenfalls diesem Berufsstand an. Verstohlen warf sie ihrem schlanken Begleiter einen Blick zu, der schweigend neben ihr hertrottete. Zumindest gab sich Whispr keinen derartigen
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