Signale des Körpers: Körpersprache verstehen (German Edition)
können wir festhalten: Je mehr es uns stört, desto mehr Kampfhormone produzieren wir, da wir innerlich auf Abwehr »umschalten«. Diese Streßhormone sollen dem Organismus helfen, wenn er kämpfen oder fliehen muß. Wenn wir uns innerlich also auf Kampf- oder Fluchtverhalten einstellen, weil uns jemand zu nahe getreten ist, dann bedeutet dies: Falls wir uns nicht wehren können, weil weder Kampf noch Flucht möglich ist, dann speichern wir diese Streßhormone in unserem System. So daß dieser Mensch uns nicht nur einen »psychologischen«, sondern einen konkret physiologischen, meßbaren Schaden zufügt 1 ! Da die meisten von uns sich ihres Zonenverhaltens nur höchst vage bzw. unbewußt klar werden, können sie nur in den seltensten Fällen ihr Recht fordern, indem sie ihre Gefühle verbalisieren. Gerade deshalb geben uns die nichtsprachlichen Signale die besten Hinweise!
Wahrscheinlich ist der berühmte Satz des DIOGENES an ALEXANDER DEN GROSSEN als Bitte, die Intimzone DIOGENES’ zu verlassen, zu interpretieren. Er sagte zu dem Feldherrn: »Geh mir aus der Sonne!« Und der »große« ALEXANDER achtete den »kleinen« DIOGENES genügend, um dieser Bitte sofort zu entsprechen!
7.1.1 Die Größe der Intimzone
Eine Seifenblase kann größer oder kleiner werden, so auch unsere Intimzone. Prinzipiell gibt es kulturelle Unterschiede (siehe Kap. 9 ), d. h. die Intimzone ist bei manchen Kulturen eine halbe Armlänge, bei anderen Völkern eine ganze Armlänge weit (vom Körper) weg.
Darüber hinaus gibt es Unterschiede innerhalb eines Kulturkreises: Die relative Größe unserer Intimzone jetzt, heute, in einem spezifischen Moment, hängt von zwei Faktoren ab: Erstens, vom Status des Gesprächspartners und zweitens, von der momentanen Stimmung des einzelnen. Je sicherer sich jemand fühlt, desto näher kann er andere an sich heranlassen. Umgekehrt verhält es sich bei einem Menschen, dessen geschlossene Haltung (s. Kap. 4 ) oder abschließende Gestik (s. Kap. 6 ) uns zeigt, daß er sich derzeit nicht besonders »gut« fühlt: So ein Mensch möchte sich schützen können, falls nötig. Wie aber kann er das, wenn sein Gesprächspartner zwei Zentimeter vor seiner Nase steht? Er hat ja nicht den nötigen Raum, um Schutzgesten auszuführen. Außerdem muß man Zonenverhalten m. E. auch unter dem Aspekt der Zeit sehen: Je weiter jemand von mir entfernt ist, desto mehr Zeit habe ich, auf etwaige Angriffe seinerseits eine Kampf- oder Fluchtstrategie zu planen!
Wollen wir beide Aspekte, Status bzw. Sicherheitsgefühle und Intimzone einzeln betrachten, beginnend mit letzteren.
7.1.2 Sicherheit und Intimzone
Leider wird die Sicherheit eines Menschen häufig angegriffen, indem man in seine Intimzone eindringt. Dies ist eine Sünde, die von vielen Menschen begangen wird, insbes. von folgenden Menschengruppen: Chefs (s. Kap. 7.1.3 ), Verkäufern, Dienstleistenden sowie erziehenden, ausbildenden, lehrenden Personen und Familienmitgliedern bzw. engeren Freunden, die »fast schon Familie sind«.
Als ich in Amerika einmal eine Mutter beobachtete, wie sie ständig an ihrem ca. neunjährigen Sohn herumfingerte, der sich wand und die Augen verdrehte, um aller Welt zu signalisieren, wie unangenehm er dies fand, fragte ich die Mutter schließlich, warum sie dies tat. Was meinenSie wohl, antwortete diese? Sie sagte: »Aber, das ist mein Sohn!« Ebenso meinen viele Eltern, sie hätten das Recht, jederzeit in die Intimzone ihrer Kinder einzudringen (selbst wenn diese inzwischen erwachsen sind), nur weil sie die Eltern seien. Viele Partner glauben, der andere habe nun kein Recht mehr auf eine Intimzone, weil er in diese Partnerschaft eingetreten sei. Zahllose Kinder leiden unter dem »Wangenkneifen« bzw. dem »männlichen Schulterschlag« gewisser »Freunde der Familie«, die mit Kindern nicht umgehen können. Interessanterweise werden solche Eingriffe in die Intimzone häufig von Bemerkungen wie »Mein Gott, was ist er (sie) doch gewachsen!« begleitet, also von einer Bemerkung, die nicht an das Kind gerichtet ist, sondern die eine Aussage über das Kind macht, als sei es nicht anwesend (wiewohl man doch gleichzeitig des Kindes Intimzone verletzt!!!). Ähnlich verhält es sich in der Schule: Mit welchem Recht fassen Lehrer ihre Schüler, denen sie sich gerade von hinten genähert haben, auch noch an, indem sie ihnen (väterlich bzw. mütterlich) die Hand auf die Schulter legen?! Wohlgemerkt, viele Kinder freuen sich über diese Geste –
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