Signale des Körpers: Körpersprache verstehen (German Edition)
immer große Geschwindigkeitsunterschiede geben kann, und zwar einmal von Sprecher zu Sprecher und zum zweiten bei demselben Sprecher von Moment zu Moment.
Was die Unterschiede von Sprecher zu Sprecher angeht, so möchte ich auf sie hier nicht eingehen. Zu viele Fragen hängen m. £. noch unbeantwortet im Raum (wiewohl manche Autoren meinen, eine endgültige Antwort gefunden zu haben), z. B. »Spricht ein Mensch um so schneller, je intelligenter er ist?« Oder: »Inwieweit ist die Anlage zur Sprechgeschwindigkeit angeboren bzw. wird sie in den ersten Kindheitsjahren von der Umwelt maßgeblich geprägt?« Ich meine, daß Deutungsversuche innerhalb der Psychologie bzw. der Kinesik noch zu weit auseinanderliegen, als daß ich schon einzelne anbieten möchte. Anders hingegen verhält es sich mit der relativen Sprechgeschwindigkeit eines Sprechers, die zu verschiedenen Momenten sehr unterschiedlich sein kann!
In »Biologische Grundlagen der Sprache« von LENNEBERG (53) fand ich eine hochinteressante Beobachtung hierzu:
»Wie schnell spricht jemand (gerade) ? Auf diese Frage gibt es natürlich keine einfache Antwort … Die höheren Geschwindigkeiten (von mehr als 500 Silben p/min) werden insbes. dann erreicht, wenn der Sprecher häufig vorkommende Redewendungen oder Klischees gebraucht. Anscheinend hängt der wichtigste … Faktor mit den kognitiven Aspekten der Sprache zusammen und nicht mit der physischen Fähigkeit, die Artikulationsbewegungen auszuführen . .. Außerdem spielt die Übung eine Rolle. Man muß bestimmte Worte (mehrmals) gebraucht haben, ehe man sie mühelos (i.e. schnell) aussprechen kann. (S. 116/117, Hervorhebungen meine).
Vereinfacht könnte man also sagen, daß ein Mensch in einer bestimmten Situation um so schneller (relative Geschwindigkeit für diesen Menschen) sprechen wird, je häufiger er diese Aussagen bereits gemacht hat! Ich kenne z. B. einen Schriftsteller, der so schnell spricht, daß man bei einer Messung wahrscheinlich mehr als 600 Silben pro Minute erfassen würde. Wenn man nun sämtliche »geschluckten« Silben (und vergessenen Wörter) subtrahiert, die man zunächst ergänzt hatte (d. h., die man »gehört« zu haben glaubte), würden wahrscheinlich immer noch mehr als 500 Silben pro Minute übrig bleiben. Warum aber kann man die fehlenden Silben oder gar Worte mühelos »ergänzen«, warum merkt man nicht sofort, daß sie gar nicht vorhanden sind? Weil er im Grunde bei jedem Gesprächsbeginn das gleiche erzählt: Welcher Artikel derzeit wo publiziert wird, woran er derzeit arbeitet, u. ä. D. h., solange er solche Informationen bringt, würde es vollständig genügen, wenn er sagen würde: »Derzeit … Thema Küche … in XXX-Zeitschrift … Thema Sex … Serie . . . Buchthema Hausapotheke …«. Denn auch dieser Mensch spricht wesentlich langsamer, wenn die Thematik ihm neu oder wenn sie noch nicht »eingeschliffen« ist.
Praktisches Beispiel: Viele Telefonistinnen großer Firmen sprechen die Firmenidentifikation dermaßen schnell (wobei auch sie Silben »verschlucken«), daß der arme Kunde überhaupt nicht weiß, ob er richtig »verbunden« ist. Noch schlimmer ist es m. E., wenn die Firma mich anruft, da ich hier ja nicht raten kann! Z.B. klingelt dann bei mir das Telefon, ich hebe ab und höre:
»Wischafeban Disulle Deuschlan, Stugard – ich verbinde mit Herrn Hanawa …« (Dies soll heißen: Wirtschaftsverband Industrieller, Deutschland … Herrn Hannawalder!)
Da diese Damen nach den Worten »ich verbinde« ihre Drohung auch sofort in die Tat umsetzen, habe ich meist nicht einmal die Möglichkeit zu fragen: »Wer spricht bitte?« Sollte ich diese Frage jedoch stellen können (selten!), passiert meist folgendes: Dieselbe verstümmelte Nachricht wird im gleichen Sprach rhythmus , wenn auch minimal langsamer wiederholt, wobei die Sprachmemelodie jedoch jetzt Beziehungssignale sendet: Die Dame ärgert sich, daß der automatische Verbindungsakt verzögen und sie aus der Routine herausgeworfen wurde! Sollten Sie selbst Führungskraft oder gar Besitzer eines solchen Unternehmens sein, kann ich Ihnen nur raten, öfter mal Kontroll-Anrufe in Ihrer eigenen Firma zu machen. Nehmen Sie die Verstümmelung Ihrer Firmenidentifikation ruhig auf ein Band auf und spielen Sie dies verschiedenen Personen vor. Dann nämlich werden Sie feststellen: Sie selbst haben die fehlende Information meist automatisch ergänzt, glauben also »verstanden« zu haben, was andere Menschen nicht verstehen,
Weitere Kostenlose Bücher