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Signum - Die verratenen Adler

Signum - Die verratenen Adler

Titel: Signum - Die verratenen Adler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Roemling
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ihrem Leben hängen wie die Käfer an einem ins Wasser gefallenen Zweig. Weil du nicht verstehen willst, dass man aus dem Leben nur etwas machen kann, wenn man die Gelegenheiten ergreift, die sich einem bieten. Und dieses Leben besteht für uns nicht darin, dass man hinter den Ochsen über die Äcker schlurft, auf den Pflug stiert und sich Sorgen macht, ob man genug nach Hause bringt, um den nächsten Winter zu überstehen.«
    Â»Hast du dir um so etwas jemals Sorgen gemacht?«, fragte Fastrada spöttisch. »Natürlich nicht. Wie denn auch? Du warst doch viel zu sehr damit beschäftigt, Kriege zu führen! Und genau darum müssen sich andere überhaupt erst Sorgen machen – frag doch die Leute, was sie wollen!«
    Â»Frag sie doch selbst!«, schrie Irmin. »Frag sie, was sie wollen! Fang gleich bei ihm hier an!« Er deutete auf den Reiter, der ihm am nächsten stand. Fastrada reagierte nicht. Ihr Cousin blickte sie lauernd an. »Soll ich dir sagen, was sie antworten werden? Ja, werden sie sagen, wir wollen die Römer aus dem Land jagen mit ihrer ganzen Verwaltung, die Steuern von uns erpresst, mit ihren Gesetzen, die nicht unsere sind! Mit ihren nichtsnutzigen Beamten, mit ihren arroganten Offizieren, mit ihren sittenlosen Weibern, mit ihren albernen Lorbeerkränzen und ihrem Massageöl, mit ihren Austern und Oliven und mit ihrem verdünnten Wein, mit dem sie verdünnte Männer aus uns machen wollen!«
    Â»Oliven und Wein haben euch doch jahrelang gut geschmeckt«, sagte Fastrada höhnisch.
    Irmin lachte. »Du willst es nicht verstehen«, sagte er.
    Â»Was?«, fragte Fastrada. »Dass es euch eigentlich nur darum geht, euch als die großen Krieger aufzuspielen? Dass ihr immer weitermachen wollt, wenn ihr die Römer erst aus dem Land gejagt habt? Dass du ein neuer Marbod werden willst, weil du es nicht ertragen kannst, ein kleiner Hilfstruppenpräfekt zu sein, der von den Legaten aus dem Zelt geschickt wird, wenn die Stabsbesprechung beginnt?«
    Irmin ließ sein Pferd ein paar Schritte nach vorn machen, bis er direkt vor ihr stand. »Niemand schickt mich aus dem Zelt«, sagte er. Seine Stimme bebte vor Wut.
    Fastrada spürte, dass sie ihn in Verlegenheit gebracht hatte, dass es ihm peinlich war, in Gegenwart seiner Männer vorgeführt zu werden. Sie überlegte, ob es besser war, den Mund zu halten. Es konnte gefährlich sein, ihn weiter zu reizen. Sie sagte nichts, sondern blickte ihn nur an, als könnte sie in seinem Gesicht ablesen, was in ihm vorging.
    Â»Wir hatten dieses Gespräch schon einmal«, sagte er so leise, dass es keiner der anderen verstehen konnte.
    Â»Und deine Begründungen sind seitdem nicht besser geworden«, gab sie ebenso leise zurück.
    Irmin schwieg, seine Wut schien zu verrauchen, und ein Stück der einstigen Vertraulichkeit zwischen ihnen kehrte zurück. Der alte Irmin blickte sie auf einmal an – von weitweg, aber er war es. Fastrada war verwirrt. »Ich hätte dir nicht so viel beibringen sollen«, sagte er. Er klang resigniert.
    Â»Ich bin froh, dass du’s getan hast.« Fastrada war über ihre eigenen Worte überrascht. Sie war nicht mehr wütend.
    Irmin blickte hinter sich zu seinen Männern, die unbeteiligt auf ihren Pferden saßen und sich Mühe gaben, die ganze Szene zu ignorieren. Dann sah er sie wieder an. »Was habt ihr vor, du und dein Römer? Wollt ihr zum Rhein?«
    Â»Ja«, sagte sie zögernd. Es widerstrebte ihr, etwas über ihre Pläne preiszugeben.
    Â»Du weißt, wie gefährlich der Weg mitten durchs Land ist – mit ihm da.« Er nickte mit dem Kopf in Caius’ Richtung, der sie jetzt ratlos ansah.
    Â»Ohne ihn gehe ich aber nicht.«
    Irmin schien mit sich zu kämpfen. »Ich gebe euch zwei von meinen Männern mit«, sagte er schließlich. »Sie sorgen dafür, dass euch niemand anrührt.«
    Fastrada schaute ihren Cousin lange an. Sein Gesicht hatte jede Härte verloren. Eben noch hatte sie Angst vor ihm gehabt, jetzt machte er sich plötzlich wieder Sorgen wie der große Bruder, der er jahrelang für sie gewesen war. Nachdem so viel zwischen ihnen zerbrochen war, war dieser versöhnliche Augenblick fast wie ein Neuanfang, auch wenn sie wusste, dass der Graben zwischen ihnen nicht zu überbrücken war. Und trotz allem hoffte sie, ihn so in Erinnerung zu behalten.
    Irmin

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