Signum - Die verratenen Adler
sehen, während die Schritte von der Seite näher kamen. Plötzlich sah sie eine Bewegung hinter einem Stamm, und dann ging alles ganz schnell. Ein Schatten schoss auf sie zu, im nächsten Moment wurde sie gepackt und von dem Gewicht eines schweren Körpers gegen einen Baum geworfen. Ein Gesicht tauchte vor ihr auf, kantig, unrasiert, grinsend, gierige Augen. Eine Hand fuhr unter ihr Kinn und drückte ihren Hinterkopf gegen den Stamm, sie spürte eine Klinge am Hals, die raue Rinde im Nacken, stinkenden Atem im Gesicht und Brechreiz im Hals.
»Ein Wort, und du bist tot!«, zischte ihr eine Stimme auf Lateinisch ins Ohr. »Verstanden?« Sie deutete ein Nicken an, und die Klinge unter ihrem Kinn lockerte sich. »Dein Verehrer lässt ausrichten, dass er heute nicht kommt. Aber dafür bin ich ja da. Als Stellvertreter sozusagen.« Die Klinge verschwand, dafür packte die Hand am Kinn umso gröber zu.
Fastradas Herz raste mit ihren Gedanken um die Wette. Wehr dich, schrie eine Stimme in ihr, schlag zu, tritt zu, beiÃ! Das Gesicht des Mannes kam näher, ekelhafte Bartstoppeln kratzen über ihren Mund. Er keuchte. Eine Faust packte ihr Kleid in Hüfthöhe und zog mit einem Ruck daran, dass der Stoff riss. Ekel, Hass und Wut ballten sich in Fastrada zusammen, und stärker, als sie jemals zu sein geglaubt hatte, rammte sie ihr Knie mit einem Ruck zwischen die Beine des Angreifers. Er krümmte sich, taumeltezurück, wollte sich gerade wieder fangen, da schlug sie zu. Mit einer Präzision, die sie selbst überraschte, schoss ihre Faust nach oben und traf ihn unter der Nase. Er schrie gurgelnd auf, fuhr sich mit den Händen ins Gesicht, verlor das Gleichgewicht, unterdrückte Flüche quollen durch seine Finger.
Fastrada stieà sich vom Baum ab, aus dem Augenwinkel sah sie einen armdicken Ast, ihr Oberkörper schnellte nach unten, sie packte das Holz, holte aus, und als der Mann sich gerade aufrichten wollte, erwischte sie ihn mit voller Wucht zwischen den Augen. Er machte einen Satz nach hinten, drehte sich einmal um sich selbst und kam auf dem Bauch zum Liegen.
Sie warf den Ast weg und rannte los. Bäume flitzten an ihr vorbei, sie rannte weiter, immer weiter, stolpernd und keuchend, bis sie im Schutz der Palisade ihres Dorfes angekommen war. Japsend blieb sie stehen. Erst jetzt blickte sie sich um. Hinter ihr war niemand mehr. An den dicken Tragepfosten eines Getreidespeichers gelehnt, übergab sie sich und konnte nicht aufhören.
27
Die Fahrt war eine Tortur. Caius lag in einem Reisewagen, der über unebene Pfade ratterte und schaukelte, und jedes Mal, wenn eins der Räder an eine Wurzel oder einen Stein stieÃ, schoss ein dumpfer Schmerz durch seinen Körper, brandete wie eine Welle von innen gegen seine Schädeldecke, schwemmte zurück bis hinunter in seinen Magen und verursachte Ãbelkeit.
Was genau passiert war, konnte Caius nicht sagen. Er war mit Fastrada verabredet gewesen, an ihrem Treffpunkt im Wald nahe der Lichtung. Er erinnerte sich noch daran, dass er ungewöhnlich lange gewartet hatte, sodass er sich schon gefragt hatte, ob sie überhaupt käme. Was hatte sie aufgehalten? Hatte ihre Familie womöglich Wind von ihren heimlichen Treffen bekommen und sie zu Hause eingesperrt? War sie doch jemandem versprochen? Irgendwann setzte seine Erinnerung plötzlich aus. Als er mit dröhnendem Kopf auf dem kühlen Waldboden wieder zu sich gekommen war, war es schon vollständig dunkel gewesen.
Mit letzter Kraft hatte er sich ins Zeltlager zu Lucius geschleppt. Jemand musste ihn von hinten niedergeschlagen haben.
Lucius saà neben ihm im Wagen und starrte die meiste Zeit über wütend vor sich hin. Am liebsten hätte er einen Zusammenhang zwischen Rullianus und dem Ãberfall der letzten Nacht hergestellt. »Ãberleg mal«, sagte er. »Wenn schon Silanus über deine kleinen nächtlichen Ausflüge Bescheid wusste, warum dann nicht auch Rullianus? Vielleicht haben sie sich im Stab das Maul darüber zerrissen. Was für eine glänzende Gelegenheit, uns einen Denkzettel zu verpassen! Er setzt einen seiner Leute auf dich an, unter Umständen denselben, der Placidus den Stein über den Schädel gezogen hat, und schon ist der erste seiner Mitwisser ausgeschaltet.«
Caius grinste schief. »Dann fehlst ja nur noch du.«
»Vielleicht sollte ich das Zelt nicht mehr ohne Helm
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