Silber
ihr.
Stattdessen ließ sie sich auf die andere Seite des Hafens fahren und benutzte ihren „flexiblen Freund“ – wie die ersten Kreditkarten in der Werbung gehießen hatten –, um sich im Dan Panorama einzuquartieren.
Sie hatte kein Gepäck, aber der Hotelboy bestand trotzdem darauf, sie bis zur Tür ihres Zimmers zu begleiten, um dort dann erwartungsvoll die Hand auszustrecken. Sie gab ihm ein Trinkgeld und bat zu entschuldigen, dass sie kein Geld in der Landeswährung hatte. Er versicherte ihr, dass das kein Problem sei. Im Zimmer lief die Klimaanlage, der Fernsehbildschirm begrüßte sie im Dan Panorama und wünschte ihr einen angenehmen Aufenthalt. Die großen Fenster gaben den Blick auf das kristallklare Meer frei. Die Balkontür stand einen einladenden Spalt weit offen. Sie ging nach draußen und blieb dort volle fünf Minuten lang stehen; mit den Händen auf dem Balkongeländer nahm sie die wundervolle Aussicht ganz in sich auf.
Die Suite bestand aus drei Räumen. Es gab einen Lounge-Bereich mit zwei kleinen Sofas, die um den Flachbild-Fernseher und einen Kaffeetisch gruppiert waren. Eine Auswahl von verschiedenen Zeitschriften lag ausgefächert auf dem Tisch, von
Business Today
, über
Architectural Monthly, What Photo?
bis hin zum
Harper’s Magazine
gab es leichte Lektüre für jeden Geschmack. Ein luxuriöser Bademantel hing an der Innenseite der Tür. Sie strich mit der Hand über den dicken Plüsch. Hinter den Sofas befand sich ein gut dimensionierter Essbereich. Auf dem Tisch stand eine große Schüssel mit Obst, die alles von Äpfeln, Orangen und Weintrauben bis hin zu Kiwis, Guaven- und Papaya-Früchten enthielt. In der Minibar befanden sich Miniaturflaschen mit Champagner, San Pellegrino, Orangensaft und Absolut Vodka, jeweils ein halber Liter erlesenen Weiß- und Rotweins, die üblichen Päckchen mit Nüssen, und genug Schokolade, um auch die größte Naschkatze zufriedenzustellen.
Sie zog ihre Bluse aus, erfreute sich an dem Gefühl der Luft auf ihrer Haut und warf das Kleidungsstück auf das nächste Sofa.
Sie fischte das Handy aus ihrer Tasche und erstattete Bericht. Es war ein kurzes Gespräch. Sie erzählte Lethe von ihrem Gespräch mit Gavrel Schnur und bemerkte dabei, dass sich daraus nicht allzu viel Neues ergeben hatte: Die Jünger von Judas, wieder der Name ‚Mabus‘, eine Geschichtsstunde und viele Sackgassen. Die Kröte hatte kein Wort über Masada verloren, oder darüber, weshalb der echte Akim Caspi ermordet worden war. Sie hoffte, dass sie die Wahrheit darüber in der Akte über Mabus fand, doch aus irgendeinem Grund zweifelte sie daran. Das Konzept der Wahrheit erfreute sich in dieser Stadt keiner allzu großen Beliebtheit.
Sie beendete das Gespräch mit Lethe und ging ins Schlafzimmer.
Es sah aus wie ein Gemach aus
Tausendundeiner Nacht
. Das Bett war mit kostbaren Seidenstoffen bezogen und hatte nicht weniger als ein Dutzend Kissen. Das Mobiliar bestand aus einem schweren, dunklen Holz und war mit detailreichen Schnitzereien verziert. Die Einrichtung hätte für ihren Geschmack besser in ein teures Bordell als in ein Luxushotel gepasst.
Sie legte die Akte auf den Nachttisch, schüttelte sich die Schuhe von den Füßen, schob den Großteil der Kissen beiseite und legte sich dann rücklings auf das große Bett.
Die Matratze passte sich ihrer Körperform an und spann sie in ihrer weichen Umarmung ein. Ein Deckenventilator drehte sich träge in der Hitze. Im Gegensatz zu einem billigen Motel, wo der Ventilator sie mit seinen Geräuschen in den Wahnsinn getrieben hätte, war der Deckenventilator hier ein gut geöltes Stück präziser Mechanik. Trotzdem konnte sie sich nicht entspannen. Ihre Haut schien zu jucken. Nach zwei Minuten kämpfte sie sich wieder aus der Matratze. Sie spürte die Erschöpfung ihres Körpers, die sich zu ihren müden Gedanken gesellte, aber sie wollte noch nicht schlafen. Sie musste nachdenken. Sie ging ins Badezimmer hinüber und ließ sich ein Bad ein.
Orla dimmte das Licht und leerte zwei kleine Fläschchen mit teurem Badesalz und einem reichhaltigen Schaumbad in die Wanne. Dann bewegte sie die Hand durch das Wasser, bis es zu schäumen begann. Auf dem Weg zurück in die Suite stellte sie die Klimaanlage so ein, dass sie die Temperatur auf angenehme zwanzig Grad senkte.
Im Schlafzimmer zog sie sich ganz aus. Die dreitausend Kilometer lange Reise hatte sich auch am Geruch ihrer Kleidung bemerkbar gemacht. Nackt streckte sie sich, neigte den
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