Silber
wahrscheinlicher seine rechte Hand, dafür Sorge tragen, dass Schnurs Männer sich nicht einfach bis an die Spitze der Kette kämpfen konnten.
„Das ist alles äußerst interessant, aber – verzeihen Sie meine Direktheit, Gavrel – was hat das alles mit unseren beiden Akim Caspis zu tun?“
„Noch vor wenigen Tagen hätte ich gesagt, gar nichts“, gab die Kröte zu und rückte wieder auf eine andere Position in dem Stuhl. „Ich war mir sogar bis zu dem Moment nicht sicher, als Sie mir die beiden Fotos gezeigt haben. Dann wurde mir schlagartig alles klar, wie man so schön sagt.“
„Dann kennen Sie diesen Mann also?“
Die Kröte nickte langsam, als ob er darüber nachdenken würde, wie viel er ihr verraten konnte. „Ja“, sagte er. „Er war einmal einer von uns.“
Jetzt hatte er Ihre volle Aufmerksamkeit. „Sie meinen, er hat für den Geheimdienst gearbeitet?“
Wieder nickte Gavrel Schnur. Und wieder war die Bewegung fast schmerzhaft in die Länge gezogen, als ob es ihm körperliches Unbehagen bereiten würde, diese Information preiszugeben. „Mittlerweile nennt er sich selbst Mabus. Als ich ihn kannte, war sein Name noch Salomon. Er war Akim Caspis Schützling.“ Er blickte wieder auf das Gruppenbild von der Ausgrabung in Masada. „Der alte Narr hat ihn unter seine Fittiche genommen und ihm alles beigebracht, was er wusste. Ich glaube, er hat in ihm den Sohn gesehen, den er nie hatte. Das ist ein geläufiges Phänomen bei Männern in einem bestimmten Alter. Es ist eigenartig, dass Salomon sich selbst als Akim ausgegeben hat. Wann wurde diese Aufnahme gemacht?“
„Etwa zwei Monate, nachdem der echte Akim Caspi gestorben ist“, sagte sie. „Das Bild wurde bei einer archäologischen Ausgrabung in Masada aufgenommen, nach dem Erdbeben von 2004.“
„Also zwei Monate, bevor die mysteriösen Auszahlungen von Humanity Capital begonnen haben, wenn ich Sie richtig verstanden habe?“
Sie nickte.
„Höchst eigenartig.“
„Das kann man so sagen“, stimmte sie zu, „und ich kann immer noch keinen direkten Zusammenhang erkennen. Ich habe das Gefühl, dass ich etwas vollkommen Offensichtliches übersehe.“
„Alles, was ich Ihnen jetzt noch erzählen kann, sind reine Spekulationen. Sie stützen sich nicht auf Fakten. Ich habe keinen triftigen Grund, daran zu glauben, dass sie richtig sind, aber ich tue es trotzdem. Ich glaube, dass Mabus nicht einfach nur ein selbsternannter Jünger Judas’ ist, sondern dass er der Erste Jünger ist, der Mann, der über allen anderen steht. Dass er in Masada wiederauferstanden sein soll, ist vielleicht doch keine allzu große Überraschung. Was wissen Sie über diesen Ort?“
„Ich habe davon gehört“, sagte sie, und überließ es dem Israeli herauszufinden, was sie darüber wusste und was nicht.
„Ursprünglich war Masada eine Festung der Römer, bis sie von einer Gruppe eingenommen wurde, die sich selbst die Sikarier nannten. Sie wollten die Römer und ihre Verbündeten aus Judäa vertreiben. Man könnte natürlich Vergleiche zu den aktuellen Auseinandersetzungen ziehen, doch kann man das nicht fast immer tun? Die Menschen führen ständig Kriege um Landesgrenzen. Wie dem auch sei, die Sikarier waren Männer des Dolches, Assassinen. Daher kommt auch der Name: Sica ist das lateinische Wort für Dolch. Sie waren die Vorläufer der arabischen
Haschischin
. Sie waren äußerst geduldige Mörder, sie erschlichen sich das Vertrauen ihrer Opfer, stellten sich in ihre Dienste oder wurden ihre Freunde, ihre Berater, ihre Verbündeten. Sie machten sich selbst unentbehrlich für die römischen Generäle, deren Tod sie im Sinn hatten. Sie arbeiteten still im Hintergrund. Wenn ihre Opfer ihnen schließlich blind vertrauten, schlugen sie zu und tauchten anschließend im Chaos um den Schauplatz des Mordes unter. Oft riefen sie dabei nach Hilfe und hielten den sterbenden Mann in den Armen – ganz die guten Freunde, die sie zu sein vorgaben.
Kommt Ihnen das nicht bekannt vor? Das sollte es, denn es ist wieder die Geschichte von Judas, oder zumindest eine Variation davon. Sogar sein Name, Iskariot, wird von einigen Gelehrten als die hellenisierte Form von
Sicarius
angesehen. Das Suffix -
ot
kann so interpretiert werden, dass es die Zugehörigkeit zu den Sikariern ausdrückt. Das ist natürlich nur eine Theorie, aber sie wird unterstützt durch die Tatsache, dass Menachem ben Ja’ir und sein Bruder Eleasar, die beiden letzten bekannten Anführer der Sikarier, die
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