Silber
so viel kälter als draußen, dass seine Kopfhaut prickelte und er eine Gänsehaut bekam. Es war erst wenige Jahre her, dass sie Masada mit Gewalt eingenommen hatten. Das Blut der Römer befleckte noch immer den Sandstein dort, wo es vergossen worden war. Es verlieh der Treppe eine zweite Garnitur von Schatten. Wie viele Geister mochten wohl in diesen Mauern wandeln? Wie viele Todesschreie hatten diese alten Steinmauern wohl schon gehört?
Am Fuß der Treppe öffnete sich ein Durchgang zu einer Vorkammer. Wie ein Großteil der Festung war auch dieser Raum bar jeden Schmuckwerks. Es gab einen Torbogen, der von flackernden Fackeln erleuchtet wurde. Von außen drängte Zugluft herein. Hinter dem Bogen waren die Türen zu drei weiteren Räumen. Eine weitere Treppe führte tiefer in den Berg, wo die Römer ihre Kerker gehabt hatten, daneben gab es einen Durchgang auf den Hof hinaus. In zwei von den Wandleuchtern waren die Fackeln schon heruntergebrannt, sie hatten dunkle Schatten an den Wänden hinterlassen. Der Gang machte einen leichten Bogen, er folgte der Form des Plateaus. Hinter der Kurve bog er in einen abzweigenden Gang ein, der ihn wieder auf den Hof hinausführte.
Die Hitze traf ihn wie ein Schlag. Der Tempel stand im Schatten des dreistöckigen, runden Palastes von Herodes. Nachdem sie die Festung erobert hatten, hatten sie viel von ihrem überflüssigen Luxus abgetragen. Das Badehaus wurde nicht mehr benutzt und dem Verfall überlassen. Der riesige Palast diente den Assassinen als Kaserne. Menachem eilte über den Hof auf den Tempel zu. Wie der herodianische Tempel in Jerusalem hatte auch dieser hier verschiedene Eingänge; selbst hier durften die Diener nicht Seite an Seite mit ihren Herren ihrem Gott huldigen. Es gab eine Tür für die Frauen, eine für die erstgeborenen Söhne, eine Tür für die Priester mit ihren Opfergaben und schließlich eine für die gemeinen Bürger. Die Sikarier hatten den Tempel von seinem religiösen Schmuckwerk befreit und einen Schafstall daraus gemacht, nur zu ihrer eigenen Belustigung.
Er stieß die Tür des Tempels auf und ging hinein. Die Luft war heiß, unerträglich heiß. Und sie stank nach Tieren. Eleasar hatte das Stroh fortgekehrt, das auf dem Boden um den Altar gelegen hatte. Hinter dem Altar waren Sandsteinziegel um eine Feuerstelle herum aufgeschichtet, um deren Hitze zu bündeln. Das Holz war bereits zu Kohle verbrannt. Sein Bruder stand über das Feuer gebeugt und legte neue Scheite nach.
Eleasar war der Schmied der Sikarier – der Dolchschmied der Dolchmänner. Er bewegte sich mit ruhigen und gezielten Bewegungen, jeder Handgriff war präzise bemessen. Menachem sah, dass er eine grobe Form aus Sand vorbereitet hatte, um das geschmolzene Silber hineinzugießen. Sie würde dem Dolch seine Grundform geben. Der Hammer des Schmieds lag auf dem Altar. Auf dem Boden neben dem Altar stand ein Eimer mit lauwarmem Wasser.
Eleasar nahm die Silbermünzen von Menachem, leerte sie in den Tiegel und überließ sie dann dem Feuer. Es dauerte nicht lange, bis die Metallstücke miteinander verschmolzen. Eleasar holte den Tiegel aus dem Feuer und ließ ihn kurz abkühlen. Er drehte das Handgelenk, um einen Blick auf den Klumpen Metall werfen zu können, zu dem die Münzen geworden waren, und stellte ihn dann wieder zurück. Diesmal ließ er ihn dort, bis das Metall vollständig geschmolzen war, dann nahm er den Tiegel wieder von der Flamme und goss das flüssige, wirbelnde Silber in die Form. Das Metall begann sofort zu erhärten; es schwoll an, um die bogenförmige Vertiefung im Sand auszufüllen. Während es abkühlte, verlor es seinen Glanz.
Menachem verlor jegliches Zeitgefühl, als er zusah, wie sein Bruder den Silberbarren mit einer Zange aufnahm und begann, ihn flach zu hämmern. Er drehte ihn immer wieder und wieder um, und mit jedem Hammerschlag brachte er ihn weiter ihn Form. Schweiß tropfte aus jeder Pore am Körper seines Bruders. Die Adern an seinen Armen waren stark hervorgetreten. Eleasar arbeitete ohne Unterbrechung, er wischte sich nicht einmal den brennenden Schweiß aus den Augen. Wieder übergab er das Silber dem Feuer, er erhitzte es, bis es weich wurde und fast seine Form verlor, dann legte er es mit einer schnellen Bewegung flach auf den Altar. Er griff nach dem Hammer und gab dem Metall seine endgültige Form. Wieder und wieder wendete er das Silber, er hämmerte es erst von der einen, dann von der anderen Seite; er schlug es flach und gab der Klinge
Weitere Kostenlose Bücher