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Silber

Titel: Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Savile
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eine Schneide, bis selbst Menachems ungeschultes Auge den Dolch erkennen konnte, zu dem es werden würde.
    „Wie das Silber im Schmelzofen geschmolzen wird, so sollt auch ihr darin geschmolzen werden, und ihr sollt erfahren, dass ich, der Herr, meinen grimmigen Zorn über euch ausgegossen habe“
, flüsterte Menachem. Die Worte aus der Predigt Hesekiels wurden auf seinen Lippen zum Gebet. Eleasar faltete das Silber, dann erhitzte er es, bis es wieder formbar war und er die Faltung flach schlagen konnte. Jede neue Lage gab der Klinge mehr Stärke.
    Der Himmel hinter dem Fenster des Tempels war dunkel, es hätte jede Stunde der langen Nacht sein können.
    Eleasar arbeitete weiter, während Menachem ihm zusah, fasziniert von der Kunstfertigkeit seines Bruders. Schließlich war er fertig. Er umwickelte den Griff mit einem Lederriemen, und die Arbeit an dem Dolch war vollendet.
    Menachem nahm ihn aus der Hand seines Bruders entgegen.
    Die Klinge war leicht gebogen, wie der Schwanz einer Schlange. Die wellenförmige Struktur auf der flachen Seite der Klinge fing das Mondlicht ein. Es sah fast so aus, als ob das Licht in das Metall geätzt worden wäre. Die Waffe hatte eine wunderschöne Feinheit an sich. Mehr noch, dachte Menachem, als er sie genau betrachtete, sie hatte eine gewisse Wahrhaftigkeit. Die Klinge bezog ihre Stärke aus den vermeintlichen Unvollkommenheiten auf ihrer Oberfläche, bei denen es sich in Wahrheit jedoch um hauchdünne Schichten im Metall handelte.
    Der Dolch hatte viel Ähnlichkeit mit dem Mann, der ihn trug.
    Menachems Herz war gehärtet durch die flüchtigen Glücksmomente und die Qualen der Enttäuschung, die um seine Seele geschmiedet waren wie eine schützende Rüstung.
    „Er ist wundervoll“, sagte er und hob den Dolch ehrfürchtig in die Luft.
    „Wie könnte es anders sein?“, prahlte Eleasar. „Er wurde aus den Münzen geschmiedet, die eine ganze Religion erkauft haben.“

25
KILLING IN THE NAME OF …
    Jetzt
    Erst, als er den Platz erreichte, wurde Konstantin klar, mit welcher Masse von Menschen er es tatsächlich zu tun hatte. Es waren nicht mehr nur ein paar Leute, die sich an den Straßenrändern gesammelt hatten. Mehr als zweitausend Menschen hatten sich auf den kleinen Platz gedrängt, um der Segnung beiwohnen zu können. Sie unterhielten sich aufgeregt. Es dauerte einen Moment, bis er begriff, worüber sie sprachen. Ein Raunen lief durch die Menge: „Der Papst kommt.“ Er blickte auf seine Uhr und dann hinauf zu der großen Uhr über der Pforte der Florinskirche. Es war eine mittlerweile völlig sinnlose Geste. Die Uhr an der Fassade der Kirche und seine Armbanduhr sagten beide dasselbe: Die Zeit war abgelaufen.
    Er besah sich die Gesichter der Leute um ihn herum. Er wusste, wonach er suchte. Interessanterweise konnte man den Menschen tatsächlich ansehen, wenn sie sich für einen Mord innerlich zu festigen versuchten. Diese Menschen begannen nicht nur zu schwitzen, man konnte es auch an ihren Augen sehen. Sie neigten dazu, starr auf etwas direkt vor sich zu blicken und waren unfähig, ihre Augen davon abzuwenden. Sie warfen keine Blicke in die Menge, wie es eigentlich natürlich gewesen wäre. Es war merkwürdig, was so alles in den Köpfen der Menschen passierte: Immerzu wollten sie alle Gesichter um sich herum ansehen, außer, wenn sie jemanden umbringen wollten. Ein Mörder hatte einen starren Blickpunkt. Das war verständlich bei einem Selbstmordbomber, der die Gesichter der Menschen, die er mit sich ins Verderben riss, gar nicht sehen wollte. Bei einem Mord wie diesem jedoch, der vor den Augen der ganzen Welt stattfinden sollte, blickte der Mörder nicht aus Schuld oder Schamgefühl stur geradeaus, sondern aus Entschlossenheit. Ein Mann, der sich zu so einer Tat getrieben fühlte, war fast mit Sicherheit ein religiöser Fanatiker. Sei es das Westjordanland, Madrid oder die Zwillingstürme, die Religion war immer die Wurzel. Wenn ein Fanatiker wusste, dass er bald sterben würde, schickte er ein Gebet an den Schöpfer seiner Wahl, um ein letztes Mal reinen Tisch zu machen, bevor er ihm von Angesicht zu Angesicht gegenübertrat. Deshalb suchte Konstantin nach jemandem, der starr geradeaus blickte und die Lippen bewegte, als ob er sein letztes Gebet sprechen würde.
    Er sah nach oben zu den Gardisten, die auf der Bühne Aufstellung genommen hatten. Jeder von ihnen blickte gerade nach vorn. Sie sahen nicht nach links und rechts. Sie warfen keine schnellen Blicke auf ihre

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