Silber
hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Massenpanik führen, bei der nicht wenige der um ihr Leben laufenden Menschen zu Schaden kommen würden.
Konstantin landete auf der Bühne und rollte sich über die Schulter ab, er kam auf den Knien auf und drückte die Handflächen fest auf den roten Stoff.
Zwei der Schweizergardisten reagierten sofort, während die anderen offenbar zögerten und zurückblieben. Die beiden Soldaten traten nach vorn, um ihn aufzuhalten; die Spitzen ihrer Hellebarden waren auf seine Brust gerichtet. Nur einer der übrigen Gardisten bewegte sich auf den Papst zu, als ob er ihn vor dem Verrückten beschützen wollte, der die Bühne gestürmt hatte. Konstantin sah den Silberdolch, den er in der Faust umklammert hielt.
Er hatte keine andere Wahl. Er hatte nicht einmal genug Zeit, um hinter seinen Rücken zu greifen und die Glock zu ziehen. Alles, was er tun konnte, war, sich auf den Papst zu werfen und zu beten, dass er genug Schwung hatte, um sie beide außer Reichweite des Judasdolches zu bringen.
Er sprang mit aller Kraft auf den alten Mann zu, traf ihn an der Brust, griff mit beiden Armen fest um seine Brust und fegte ihn von den Füßen. Der Aufprall ließ sie alle drei – den Papst, den Assassinen und den Retter – der Länge nach auf dem Boden landen. Konstantin landete auf dem alten Mann, sein Gewicht drückte schwer auf ihn herab. Sie waren zusammen auf den roten Teppich gefallen. Überall um sie herum wurden Schreie und Rufe ausgestoßen. Er konnte die einzelnen Worte nicht verstehen. Doch das musste er auch nicht, es gab keinen Zweifel daran, was sie bedeuteten.
Es war egal.
Er hatte es geschafft. Er hatte den Heiligen Vater rechtzeitig erreicht. Er hatte die Uhr geschlagen, und er hatte den Assassinen geschlagen. Er hatte Petrus II. das Leben gerettet. Er schloss die Augen und wartete auf die Hände, die ihn von dem weißhaarigen Pontifex herunterzerren würden. Er spürte den Mann unter sich atmen. Es war kein sanftes, gleichmäßiges Heben und Senken der Brust; seine Atemzüge kamen unregelmäßig und verkrampft, als ob er verzweifelt um jeden davon kämpfen würde. Konstantin rollte sich von dem alten Mann herunter.
Es war nicht sein Körpergewicht gewesen, das dem Geistlichen die Luft genommen hatte.
An seinen Händen war Blut, als er sie vom Körper des Papstes löste. Er blickte zu ihm hinab. Der alte Mann lag ausgestreckt auf dem roten Grund der Bühne. Es dauerte einen Moment, bis Konstantin das Blut entdeckte, wo die Silberklinge die weiße Soutane des Papstes aufgeschlitzt hatte. Der Griff des verfluchten Dolches ragte aus der violetten Pelerine, die Petrus II. um den Hals trug, die Klinge hatte das mit Goldfäden auf das Gewand gestickte Kreuz durchstoßen. Es war viel Blut, viel zu viel. Das Gold und das Violett saugten sich schnell mit Rot voll, als noch mehr Blut aus der Wunde gepumpt wurde. Der Heilige Vater griff mit verkrampften Fingern nach dem Heft des Dolches. Seine Lippen bewegten sich. Konstantin konnte gerade so die leise geflüsterten Worte hören: „
Vater, vergib … wissen nicht … was
…“ Es war das letzte Gebet von Jesus Christus gewesen, als er ans Kreuz geschlagen im Sterben lag; es war das Gebet, in dem er seinen Vater bat, die Seelen seiner Mörder zu verschonen.
Konstantin kroch auf allen Vieren auf den Verletzten zu. Er konnte nicht fassen, was er vor sich sah.
Die ganze Vorderseite der weißen Soutane war rot von heiligem Blut.
Der Stellvertreter Christi blickte zu ihm auf, ohne ihn zu sehen. Über seine Augen legte sich bereits der glänzende Schleier des Todes.
Konstantin war zu spät gekommen.
Er konnte nichts mehr tun.
Letzten Endes hatte er doch versagt. Er legte den Kopf in den Nacken und ließ einen langen, schrecklichen Schrei der Reue, des Schmerzes und der Verzweiflung in den Himmel schallen. Er war so dicht dran gewesen. Er war dicht genug, um den sterbenden Mann in den Armen zu halten, als die BKA-Agenten die Bühne stürmten. „Bitte“, sagte Petrus von Rom. Konstantin wusste nicht, was er damit meinte, und worum er ihn bat. Der alte Mann schluckte, und das Licht in seinen Augen erlosch. Er war tot.
Konstantin versuchte vorsichtig, seine Hand unter dem leblosen Körper hervorzuziehen. Er wollte auf gar keinen Fall das Beweisstück kontaminieren. Doch noch während der Papst in seinen Armen zusammensank und seine Kleidung sich mit Blut vollsog, rutschte die Klinge klappernd zu Boden. Blutspritzer fielen wie eine Handvoll
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