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Silber

Titel: Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Savile
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schnell zum Heck des Wagens, öffneten die Tür und traten zurück, damit der Heilige Vater und die beiden Schweizergardisten, die bei ihm saßen, das Fahrzeug verlassen konnten. Die Gardisten stiegen zuerst aus. Der zweite drehte sich um und hielt dem Papst seine Hand hin, um ihm die kleine Treppe hinunter zu helfen, und trat dann zurück, als der Pontifex die Hand zum Gruß und zur Segnung hob.
    Konstantins Sicht war teilweise verdeckt. Er konnte den Papst nur oberhalb des Kragens seines
Fanos
sehen, dem zweilagigen Schultergewand, das um seinen Hals herum zusammengenäht war. Die verzierte Mitra, die konische Kopfbedeckung des Papstes, ermöglichte Konstantin, seinen Weg durch die Menge zu verfolgen, bis er schließlich die Bühne betrat. Ein päpstlicher Thron war mitten auf der Bühne aufgestellt worden, und die Schweizergardisten postierten sich rechts und links davon.
    Auf der obersten Stufe drehte der Papst sich zu den Zuschauern um und hob wieder die Hand, als sie jubelten und applaudierten. Es kam dem Russen absolut nicht richtig vor, dass ein heiliger Mann einen ähnlich frenetischen Empfang erhalten sollte wie ein Popstar.
    Er war sechs Reihen vom Bühnenrand entfernt.
    Er musste näher herankommen, doch die Menschen standen so dicht gedrängt, dass er sich seitwärts bewegen musste, um eine Lücke zu finden, durch die er sich hindurchquetschen konnte.
    Auf der Fassade der Florinskirche sprang der gewaltige, gusseiserne Minutenzeiger noch eine Minute weiter und blieb über dem Haupt des Papstes stehen wie ein riesiges Damoklesschwert. Konstantin atmete schwer, er zwang sich zur Ruhe:
ein und aus, halten, ein und aus. Ein und aus, halten, ein und aus
.
    Er wusste haargenau, wie er aussehen musste.
    Es war ihm egal.
    In sechs Minuten würde der Papst sterben, wenn er es nicht verhindern konnte.
    Der irdische Stellvertreter Christi schritt zur Mitte der Bühne, auf die Mikrofone zu. Er beugte sich nach vorn, hob beide Hände mit den Handflächen zur versammelten Gemeinde und sagte: „Vielen Dank“. Er sprach Englisch, nicht Deutsch oder Latein oder seine Muttersprache Italienisch. Aus der Nähe sah Petrus II., der auch ‚Petrus von Rom‘ genannt wurde, älter aus als auf den Fotos, die Konstantin von ihm gesehen hatte. Er war merklich gealtert, seit er nach dem Tod Benedikts XVI. vor knapp einem Jahr ins Amt gewählt worden war.
    Fünf Minuten.
    Papst Petrus II. machte das Kreuzzeichen und stützte sich dann auf das Pult, an dem er sich mit beiden Händen festhielt. „Liebe Brüder und Schwestern“, sagte der Heilige Vater; seine Stimme wurde von den Mikrofonen auch in die entferntesten Winkel des Platzes getragen. Er schenkte ihnen allen ein Lächeln. Konstantins Blick sprang wild zwischen dem Papst und den Gesichtern der ihn umgebenden Gardisten hin und her, auf der Suche nach dem Verräter. „Dieser Abend, den wir hier heute miteinander verbringen, ist wahrhaftig etwas Besonderes; nicht für den Himmel, unter dem wir stehen, noch für die Freunde an unserer Seite, für die wir beide dankbar sind, sondern für das strahlende Licht des auferstandenen Christus, der die dunkelsten Kräfte des Bösen und des Todes überwindet, und der in den Herzen der Gläubigen wieder die Flamme der Hoffnung und der Freude entfacht. Sehet hinauf zum Himmel, sehet die untergehende Sonne und den aufgehenden Mond. Ihr Licht wird uns nie verlassen, denn ihr Licht ist das Licht des wiederauferstandenen Christus.
    Liebe Freunde, lasset uns gemeinsam beten zu unserem Herrn Jesus Christus, auf dass die Welt sehen und erkennen mag, dass dank seiner Passion, seinem Tod und seiner Auferstehung, das Zerstörte neu errichtet wird; das Alte wird erneuert und vollständig wiederhergestellt werden, schöner als jemals zuvor, zu seiner ursprünglichen Ganzheit.“ Er neigte den Kopf.
    Jeder in der Menge tat es ihm gleich, außer Konstantin, den BKA-Beamten und den Schweizergardisten auf der Bühne.
    Konstantin kämpfte sich weiter zur Bühne vor, während sich die um ihn herum gemurmelten Gebete zum Himmel erhoben. Konstantin betete nur um eine Sache, aber Gott hörte nicht zu, und der Druck der Menschenmassen verhöhnte ihn regelrecht. Er erlaubte sich einen schnellen Seitenblick und sah zwei der schwarzgekleideten BKA-Männer, die sich ihren Weg durch die Menge hinter ihm bahnten, und einen weiteren, der an der Seite des Platzes entlang in Richtung Bühne rannte. Sie jagten ihn, aber sie hatten ihre Waffen nicht gezogen. Noch

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