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Silber

Titel: Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Savile
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nicht.
    Zwei Zuschauerreihen trennten ihn noch von der Bühne.
    Die Gardisten zu beiden Seiten des Papstes starrten ihn an.
    Konstantin starrte zurück und suchte nach den Anzeichen für Mordlust auf ihren Gesichtern. Jedem von ihnen wäre der Mord zuzutrauen gewesen. Zu dieser erschütternden Erkenntnis gelangte er, als er nahe genug heran war, um sie wirklich sehen zu können. Sie sahen fast völlig identisch aus. Keines der Gesichter unterschied sich im Ausdruck von den anderen, als sie ihn anblickten. Jeder von ihnen – oder alle von ihnen – hätte der Attentäter sein können.
    Oder war es keiner von ihnen?
    Vielleicht hatte er sich geirrt.
    Nein. Die Sikarier machten sich selbst für ihre Opfer unentbehrlich. Sie standen ihnen zur Seite, als ob sie ihre besten Freunde wären, bis sie diese „Freunde“ dann mit ihren Dolchen erstachen. Dieser Ort und dieses Publikum waren perfekt für den Mord geeingnet.
    Das musste allerdings nicht heißen, dass Devere nicht trotzdem mit ihm gespielt und ihn zu einem weiteren – diesmal tödlichen – Fehler verleitet hatte. Das Spiel dieses Mannes war auf einen langen Zeitraum angesetzt, und jeder seiner Züge war wohlüberlegt und sorgfältig geplant. Die Voraussetzungen hier waren ideal geeignet, um Konstantin in eine Falle zu locken, ihn zum „Assassinen“ zu machen und ihn vom BKA verhaften zu lassen – was den Sikariern ermöglichen würde, den Papst an einem anderen Tag sterben zu lassen, wenn seine Bewacher nicht mehr so wachsam waren.
    Er blickte nach rechts und sah zwei weitere BKA-Männer am Rand der Menge entlanglaufen, auf dem Weg, den vorher die Fahrzeuge zur Bühne genommen hatten. Die beiden hatten ihre Pistolen gezogen, hielten sie aber tief, um die Papstfans nicht unnötig zu beunruhigen.
    Sie starrten ihn an, während sie liefen.
    Er zwängte sich wieder zwischen einem Pärchen hindurch; beide hatten die Köpfe zum Gebet gesenkt. Er ließ sich nicht von ihnen aufhalten, das konnte er sich nicht leisten. Er sah nach oben auf die große Uhr. Er hatte noch eine Minute. Oder zwei. Die Zeitangaben der Kirchenuhr, seiner Armbanduhr und der Zeitschaltuhr an dem Gewehr würden sich minimal unterscheiden – doch wie groß dieser Unterschied war, würde er erst herausfinden, wenn der Gewehrschuss fiel. Und dann würde es sich nur noch um einen rein theoretischen Wert handeln.
    Er hatte weniger als eine Minute.
    Er erreichte die Bühne zur selben Zeit, als einer der Beamten des BKA die Stufen erreichte.
    Vier Dinge geschahen gleichzeitig. Der Gewehrschuss krachte, einen Sekundenbruchteil später von zwei weiteren gefolgt, und die Bäume explodierten in einem Chaos aus Federn und Panik, als Hunderte von Vögeln in die Luft aufgescheucht wurden. Papst Petrus II. blickte auf, jäh aus der Verlesung des Gebetes gerissen. In seinen Augen stand Angst. Er kannte dieses Geräusch, wie jeder Mann, jede Frau und jedes Kind unter der Sonne. Er hörte auf zu sprechen, und die betenden Menschen auf dem Platz verstummten mit ihm. Einen Herzschlag lang war alles still, bis der Schock sich legte und die Menschen realisiert hatten, dass sie gerade durch Schüsse in ihren Gebeten unterbrochen worden waren. Zuerst hörte man erschrockene Aufschreie, als die Vögel aus den Bäumen platzten, dann veränderte sich die Tonlage der Schreie, als die Verwirrung in Angst umschlug. Die Schweizergardisten auf der Bühne reagierten auf die Schüsse, in dem sie nach vorn sprangen, um den Heiligen Vater zu schützen. Konstantin sah etwas Silbernes in der Hand des Gardisten aufblitzen, der dem Papst am nächsten war.
    Er durfte diesen Mann auf keinen Fall den Papst erreichen lassen – auch wenn er dafür auf die Bühne springen musste. Konstantin schrie eine Warnung, als er den roten Stoffbezug der Bühne erreichte.
    Er schickte ein weiteres Stoßgebet zum Himmel und baute darauf, dass die Männer des BKA nicht auf ihn schießen würden, solange er sich in der Menge der unschuldigen Papstanhänger befand. Er an ihrer Stelle hätte den Schuss gewagt und die Kollateralschäden in Kauf genommen, um den Kirchenvater zu retten. Er betete, dass sie bessere Männer waren als er selbst. Denn auf diese Frage würde es letztendlich hinauslaufen: Was bedeutete ihnen ein Menschenleben? Welchen Wert gaben sie dem Leben von Papst Petrus II., seinem eigenen oder dem der Gläubigen? Konstantin sprang ab. In diesem Augenblick, in dieser einen Sekunde war alles im Gleichgewicht. Ein weiterer Schuss würde mit

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