Silber
Untertreibung des Jahres.
„Es gibt nichts, was wir tun können“, sagte der Alte. Es klang sogar in seinen eigenen Ohren sehr barsch, als er die Worte aussprach. Frost zuckte mit keiner Wimper. Er akzeptierte diese Beurteilung der Situation wie der professionelle Soldat, der er war.
„Ich habe meine Suche noch nicht abgeschlossen“, sagte Lethe. „Ich habe jemanden in der Menge entdeckt, der die Segnung des Papstes mit dem Handy gefilmt hat. Der Blickwinkel stimmt, mit ein bisschen Glück hat er alles aufgezeichnet. Das Problem ist nur, dass ich keine Ahnung habe, wer diese Person ist, weil ich nur ihren Hinterkopf sehen kann.“
„Das ist tatsächlich ein Problem“, sagte Frost, doch die Möglichkeit, dass jemand die Wahrheit über den Papstmord mit dem Handy gefilmt haben könnte, schien ihm neue Energie zu verleihen. „Aber kein unüberwindliches Hindernis. Koblenz ist nicht besonders groß. Man könnte sich mit dem Bild von diesem Hinterkopf von Tür zu Tür klingeln. Du weißt schon: Sind Sie das? Sind Sie das? Sind Sie das? Irgendjemand muss es schließlich sein.“
Es gab keine Garantie dafür, dass dieser bestimmte Jemand auch tatsächlich in Koblenz lebte, aber es war ein Strohhalm, der es wert war, umklammert zu werden. Das konnte der Alte in Frosts Gesicht lesen. Niemand wurde zurückgelassen.
„Die Polizei wird kaum von Tür zu Tür gehen. Sie haben Tausende von Zeugenaussagen am Tatort aufgenommen. Wenn diese Person irgendetwas gesehen hat, wird das BKA bereits davon wissen. Und höchstwahrscheinlich konfiszieren sie das Handy sofort als mögliches Beweismaterial, sobald sie erfahren, was er damit gefilmt hat.“
„Vielleicht haben sie sich das Video noch nicht angesehen“, sagte Frost.
„Oder sie haben es gesehen und schon gelöscht“, sagte Sir Charles. Er wusste nur zu gut, wie diese Großuntersuchungen manchmal durchgeführt wurden. Sie hatten Beweise, Zeugen, und einen Hauptverdächtigen, den die britische Regierung wahrscheinlich bereits abgeleugnet hatte. Ein russischer Überläufer mit paramilitärischen Erfahrungen? Einen besseren Attentäter hätten sie sich gar nicht wünschen können. Sie würden das Messer nicht in den Händen der angeblich vertrauenswürdigsten Wächter der Welt suchen. Das entsprach nicht ihrer ermittlerischen Vorgehensweise, und warum sollte es auch? Sie hatten alle gesehen, dass Konstantin es getan hatte. Zumindest glaubten sie, es gesehen zu haben.
„Es ist einen Versuch wert. Es muss einen Versuch wert sein“, sagte Frost. „Was ist mit den Gardisten?“ Er sah Lethe an. „Hat von denen einer gesehen, was passiert ist?“
„Wenn dem so ist, dann würde ich jeden Moment mit einer weiteren Leiche rechnen, Sie nicht?“, fragte Lethe.
Frost nickte. „Aber reicht eine weitere Leiche, um Konstantin wieder auf freien Fuß zu setzen?“ Die Augen von Frost und dem Alten trafen sich einen Moment lang. Sir Charles wandte den Blick zuerst wieder ab. „Ich will da raus gehen“, sagte Frost. „Es bringt nichts, wenn ich hier sitze und Däumchen drehe. Verdammt, wenn es sein muss, kann ich ihn auch mit Noah zusammen aus dieser verdammten Gefängniszelle in Deutschland holen. Es wären nur wir beide notwendig, um ihn wieder nach Hause zu bringen. Und dann könnten wir zu dritt Orla befreien.“
Bei ihm klang es so einfach. Doch das war es leider nicht.
Es war ein geopolitisches Minenfeld.
Die Schlipsträger in Vauxhall Cross stritten vielleicht jede Verbindung zu Konstantin ab, aber das musste nicht heißen, dass die deutschen Beamten ihren Beteuerungen auch Glauben schenkten. Konstantins Schicksal hing jetzt davon ab, ob sie ihn für einen Briten oder einen Russen halten würden, für welche Seite er Ihrer Meinung nach gerade arbeitete, und zu welcher Regierung diese schmutzige Wäsche letztendlich gehörte. Vielleicht konnte man zu einer Übereinkunft gelangen. Der einzige Wermutstropfen war, dass die Öffentlichkeit sehen wollte, wie der Täter zur Rechenschaft gezogen wurde.
„Das wird nicht notwendig sein“, sagte Sir Charles zu ihm. „Sie kümmern sich um Maxwell, ich werde einen Anruf erledigen. Ich werde alles Machbare in die Wege leiten. Damit mache ich Ihnen allerdings keine Versprechungen, verstanden?“
„Das entwickelt sich allmählich zu einer lästigen Angewohnheit, Charles“, sagte die näselnde Stimme der Kontrolle durch die Leitung. „Ich nehme an, ich muss dich nicht extra auf die Tatsache hinweisen, dass zivilisierte
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