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Silber

Titel: Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Savile
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immer das Beste, selbst nach sechzig Jahren. Zu sagen, dass es immer noch böses Blut zwischen unseren Nationen gibt, wäre eine Untertreibung.
    Wir können Konstantin nicht einfach verschwinden lassen, weil die Deutschen dann wie Idioten dastehen würden. Wir können ihn nicht gegen jemand anderen austauschen, weil es schon viele Jahre her ist, dass wir einen deutschen Gast hatten, der den Unmut Ihrer Majestät erregt hat. Und wir können sie schlecht dazu zwingen, ihn wieder herauszugeben – wie würden wir selbst denn sonst dastehen? Du solltest dankbar sein, dass es die Todesstrafe nicht mehr gibt. Sie hätten ihn an einem Galgen auf eben diesem Platz erhängt – was nicht einer gewissen Ironie entbehrt hätte, wenn man den Sinn der Segnung bedenkt.“ Die Kontrolle hatte genug Anstand, um nicht über den eigenen Witz zu kichern. „Aus dieser Angelegenheit wird niemand gut hervorgehen, Charles. Jetzt kann man nur noch Schadensbegrenzung betreiben. Die ganze Welt blickt gerade auf Koblenz. Gib ihnen Konstantin. Sie haben alles auf Film, sie kommen relativ gut dabei weg, es ist eine schnelle und effiziente Lösung. Der Gerechtigkeit wird zum Sieg verholfen und alle sind glücklich. Das ist der langen Rede kurzer Sinn.“
    „Nicht alle“, sagte der Alte. „Du willst nicht, dass ich aus dieser Angelegenheit einen Krieg mache, Quentin. Er gehört zu meinem Team. Ich habe heute schon jemanden verloren, und ich weigere mich, noch weitere Verluste hinzunehmen.“
    „Soll das eine Drohung sein, Charles?“
    „Du weißt, dass es eine ist, alter Knabe“, sagte der Alte. „Ich schlage dir vor, dass du den Anruf machst und nicht versuchst, mich mit der Abstreitbarkeit von Ogmios abzuspeisen. Du hast eine Verpflichtung Konstantin gegenüber.“
    „Gehe ich recht in der Annahme, dass du jetzt von mir verlangst, eine Invasion vorzubereiten? Wir könnten auch gleich Tel Aviv einnehmen und deine Kleine befreien, wenn wir schon einmal dabei sind – zwei zum Preis von einem, nur für dich. Sei nicht naiv, Charles. Die Sache mit Khavin ist nichts weiter als ein unglücklicher Zwischenfall. Er zählt nicht einmal als Kollateralschaden. Du musst dir im Klaren darüber sein, dass wir dich absägen, wenn du weiter in diese Richtung drängst, so einfach ist das. Team Ogmios wird nicht mehr von Nutzen sein. Es wird aufgelöst werden.“
    Der Alte atmete in den Hörer und ließ die Stille für sich sprechen.
    „Falls dir der Unterton entgangen sein sollte, das war eine Drohung, alter Knabe“, sagte Quentin Carruthers.
    „Ich könnte heute Nacht auch einfach Frost bei dir vorbeischicken. Es ist zwar immer tragisch, wenn ein alter Mann schließlich stirbt, aber gleichzeitig hat es auch etwas Tröstliches, wenn er friedlich im Schlaf von uns geht, findest du nicht?“
    „Und dich habe ich für einen Freund gehalten.“
    „Bei diesem Spiel geht es nicht um Freundschaft, Quentin. Es geht nur um die Leute, die uns helfen können, und die, die gegen uns sind. Ich will meinen Mann zurückhaben, und ich werde alles tun, um das zu erreichen. Deshalb sage ich es noch einmal: Mach den Anruf und hol ihn nach Hause.“
    „Wenn ich das tun sollte, Charles – und es ist nicht gesagt, dass das geschehen wird – bist du raus aus dem Geschäft. Ich will, dass du alle Informationen, die du zu dieser Operation gesammelt hast, bis zum Morgen an meine Leute übergibst. Ich werde deine Abteilung auflösen. Bist du dir im Klaren darüber, worum du mich bittest?“
    Der Alte antwortete nicht.
    Er legte auf.

28
IN KETTEN
    Die Zeit hatte in der Dunkelheit des Kerkers jegliche Bedeutung verloren. Ab und zu konnte Orla Geräusche hören. Mal war es das Quieken und die Kratzgeräusche der Ratten, die an der Seite der Zellenmauer entlanghuschten, mal war es eine menschliche Stimme, die in der Finsternis wimmerte, schluchzte oder weinte. Als ihr Kopf schwer wurde, verfiel sie wieder in Albträume. Sie glaubte gerade, letztlich doch in die große Dunkelheit abgeglitten zu sein, als sie eine kalte Männerstimme an ihrem Ohr hörte: „Morgen wirst du sterben.“
    Dieses Morgen war alles, was sie wollte, warum begriff er das denn nicht? Es würde das Ende bedeuten, und sie hatte schon längst keine Angst mehr davor. Sie hatte aufgehört zu kämpfen.
    Die scharfen Kanten der Metallfesseln gruben sich tief in ihre Handgelenke und hinterließen blutige Schnitte. Sie hatte sich mit ihrem ganzen Körpergewicht daran gehängt, damit der Stahl sich tiefer fraß

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