Silber
hätten sie wohl nicht ganz so tief und fest geschlummert.
Die Tür war abgesperrt, aber Konstantin konnte keine zusätzlichen Riegel oder nachträglich angebrachten Sicherungen sehen – Devere schien sich im vierten Stock sicher zu fühlen. Er würde nicht mehr lange genug leben, um diesen Fehler bereuen zu können.
Endlich fand Konstantin, wonach er gesucht hatte: Eine Metallstange aus dem Wäscheständer, an dem Devere sonst wahrscheinlich seine Designer-Hemden zum Trocknen aufhängte.
Er schob die Stange unter den Türgriff und übte ein wenig Druck darauf aus, um den Widerstand zu prüfen. Dann drückte er erneut zu, diesmal bearbeitete er das Schloss mit ein bisschen mehr Nachdruck. Beim dritten Versuch zerbrach es schließlich, mit einem Knall wie von einem Pistolenschuss.
Er ging hinein.
In dem Apartment herrschte die schaurige Vier-Uhr-morgens-Stille. Er bewegte sich schnell von Raum zu Raum. Die Wohnung war spartanisch eingerichtet, oder besser gesagt, skandinavisch-minimalistisch. Keinem der Zimmer war eine persönliche Note anzumerken, und das lag nicht daran, dass man nur wenig sehen konnte. Tatsächlich war es in der Wohnung gar nicht so dunkel; das Licht des Vollmonds tauchte alles in einen silbrigen Schein.
An jeder der weißen Wände hing ein einzelnes Kunstwerk. Konstantin konnte nicht sagen, ob es sich dabei um billige Drucke oder teure Originale handelte. Er war kein besonders großer Kunstliebhaber. Er kannte ein paar der berühmten Werke der alten Meister, aber von dem ganzen neuen Zeug kannte er fast überhaupt nichts. Bei Künstlern hielt er es wie mit seinen Feinden: er mochte sie am liebsten, wenn sie tot waren.
Devere schien kein besonders paranoider Mensch zu sein. Es gab zwar in jedem Raum Bewegungsmelder, deren Lämpchen jedesmal aufleuchteten, wenn Konstantin sich bewegte, doch es war kein Alarm zu hören. Wie die meisten Menschen ließ er die Alarmanlage abgeschaltet, wenn er sich selbst in der Wohnung aufhielt.
Konstantin fand Deveres Schlafzimmer.
Durch die Tür lauschte er einen Moment lang dem leisen Schnarchen des Mannes, dann blickte er noch einmal auf seine Armbanduhr. Es war genau vier. Es war an der Zeit, etwas Krach zu machen. Konstantin trat die Tür auf und schrie aus voller Kehle, als er in das Zimmer stürmte.
Miles Devere strampelte sich aus den gestärkten weißen Laken seines Bettes. Unsanft aus dem Schlaf gerissen richtete er sich auf, die rechte Hand am Herzen.
Konstantin gab ihm keine Zeit, zu begreifen, was geschah.
Er stürzte sich auf ihn, quer durch den Raum und genau auf sein Gesicht zu, wie ein Dämon aus seinen schlimmsten Albträumen – denn genau dafür würde Devere ihn halten, in den wenigen Sekunden, in denen der wild schreiende Schatten auf ihn zuraste. Er schlug Devere einmal mit dem rechten Handrücken ins Gesicht, dann packte er ihn bei den Haaren und zerrte ihn aus dem Bett.
Jetzt hatte Devere begriffen, was los war.
Dieses Wissen nutzte ihm allerdings nichts.
Konstantin ließ Devere zu Boden fallen und bearbeitete ihn mit seinen Stiefeln. Er trat wieder und wieder auf ihn ein, bis der nackte Mann sich wie ein Säugling zusammenkrümmte und versuchte, sich zu schützen. Konstantin sagte kein Wort, er ging nur ein Stück zurück, um etwas Anlauf für seinen nächsten Tritt in Deveres Rücken zu nehmen.
Dann beugte er sich hinab, krallte seine Finger wieder in Deveres Haare und schleifte ihn ins Wohnzimmer. Devere strampelte und versuchte, auf die Beine zu kommen, er schrie und heulte und schlug nach Konstantins Hand.
Konstantin warf Devere in die Mitte des Raumes, baute sich über ihm auf und sah auf ihn herab, als er nackt über den Boden kroch.
„Ich breche niemals ein Versprechen“, sagte er. „Das ist eine russische Eigenart. Es ist eine Frage der Ehre.“
„Bitte“, sagte Devere. Er blickte zu ihm auf und versuchte gleichzeitig, sich so klein wie möglich zu machen, um seinem Peiniger so wenig Angriffsfläche wie möglich zu bieten.
„Bitte? Bitte was?“, höhnte Konstantin. „Bitte töten Sie mich nicht?“ Konstantin schüttelte den Kopf. „Das lässt mich kalt. Ich habe nicht die geringste Lust, Ihnen einen Gefallen zu erweisen. Ich war in Berlin. Ich habe gesehen, was mit Ihrem Geld dort angerichtet wurde. Ich habe gesehen, wie die Leichen von all diesen unschuldigen Menschen aus der U-Bahn getragen wurden. Glauben Sie, die haben auch gebettelt, als sie an dem Giftgas erstickt sind?“
„Was wollen Sie
Weitere Kostenlose Bücher