Silber
die Deutschen herausfanden, dass Ihre Majestät den vermeintlichen Papstmörder rausgehauen hatte. Es stand einer Monarchin nicht gut zu Gesicht, sich die königlichen Hände dermaßen schmutzig zu machen – auch, wenn sie gar nicht wusste, was alles in ihrem Namen geschah.
Konstantin steckte den Pass, das Geld und das Ticket ein.
„Danke“, sagte er.
„Mir müssen Sie nicht danken. Ich tue nur, was man mir gesagt hat. Danken Sie dem Alten, der jeden Gefallen eingefordert hat, den ihm Leute von hier bis Timbuktu geschuldet haben. Ohne ihn würden Sie bis ans Ende Ihrer Tage in einer kleinen Zelle in Berlin sitzen, Kumpel.“
Er brach einen der kleineren Scheine in einem Kiosk an und kaufte eine Telefonkarte.
Es dauerte fast eine ganze Stunde, bis er ein funktionierendes Kartentelefon gefunden hatte.
Er rief in Nonesuch an.
Lethe antwortete nach dem ersten Klingelzeichen. Es dauerte einen Moment, bis die Verbindung hergestellt war, dann sprachen beide los, ohne den anderen hören zu können. Als die Leitung schließlich offen war, begann Konstantin noch einmal von vorn: „Ich nehme den Nachtflug von Frankfurt nach Heathrow. Wenn ich gelandet bin, melde ich mich wieder. Ich will, dass du bis dahin Miles Devere für mich ausfindig machst.“
Er legte auf, bevor Lethe etwas antworten konnte.
Die Reise verlief ereignislos, weder auf dem Boden noch in der Luft gab es Schwierigkeiten. In neun Tagen konnte viel geschehen. Dazu gehörte offensichtlich auch, dass die Menschen ein Gesicht vergaßen. Oder dass sie es zwar erkannten, aber nicht mehr wussten, woher, obwohl sie es tagelang in den Nachrichten und auf den Titelblättern der Zeitungen gesehen hatten. Er war kein Filmstar und kein Fußballspieler. Einige Leute sahen irritiert noch ein zweites Mal auf sein Gesicht und schüttelten dann den Kopf. Auf einer unbewussten Ebene hatten sie ihn erkannt, wie jede andere berühmte Persönlichkeit, aber sie hatten ihn auch nur unter diesem Schlagwort abgespeichert: irgendeine berühmte Persönlichkeit. Das erschien logisch, und niemand zweifelte gern an seiner eigenen Logik.
Tatsächlich verhielt es sich so, dass das BKA der Welt wohl kaum mitteilen würde, dass sie ihn verloren hatten. Auf den Flughäfen, Bahnhöfen und Busstationen würde es nur so von Beamten wimmeln, die auf der Suche nach ihm waren – aber sie suchten nicht nach einem gewissen Mr. John Smith.
Aus diesem Grund konnte er, nach einem erholsamen Flug, die Maschine in London unbehelligt verlassen. In dem metallenen Korridor auf dem Weg zum Terminal fragte er einen der Flughafenangestellten, wo sich das nächste Münztelefon befand, und rief dann bei Lethe an.
„Willkommen zu Hause, Koni“, sagte Lethe, noch bevor Konstantin das erste Klingelzeichen gehört hatte. „Wir haben uns Sorgen um Sie gemacht.“
„Das ist rührend. Hast du die Adresse für mich?“
„Der Alte hat gesagt, dass ich Ihnen sagen soll, dass sie zuerst zu einer Nachbesprechung hierher kommen sollen.“
„Später. Zuerst muss ich ein Versprechen einlösen.“
„Was immer Sie sagen, Mann. Ich gebe nur die Nachricht weiter. Wenn Sie es sagen, dann eben später.“
„Die Adresse?“
„Er ist in England. Er ist einen Tag nach der Ermordung des Papstes hierher gekommen.“
„England ist nicht gerade klein. Wo in England?“
„Ich möchte, dass Sie nur einen kleinen Moment lang meine Genialität wertschätzen, Koni. Ich habe ihn für Sie ausfindig gemacht, wie Sie es wollten. Aber denken Sie darüber nach: Wenn ich zu Ihnen sage, dass er in London ist, heißt das, dass er einer von siebeneinhalb Millionen Menschen ist, die auf zweiunddreißig verschiedene Stadtteile verteilt sind. Das sind viele Leute und höllisch viele Straßen. Es ist die sprichwörtliche Suche nach der Nadel im Heuhaufen.“
„Wo ist er?“
„Nun, unter den Hunderttausenden von Gebäuden dort habe ich dasjenige gefunden, in dem er sich aufhält. Ich bin nämlich ganz schön gut in dem, was ich tue, Koni. Er hat eine Wohnung mitten in London, am Clipper Quay, bei der Taeping Street. Sie können die Docklands Light Railway bis Mudchute nehmen, von da sind es nur ein paar Minuten zu Fuß. Die meisten Häuser dort sind um das alte Graving Dock herum gebaut. Es gibt nur vier Wohnungen in dem Gebäude, und Devere gehört das Penthouse. Sie können es nicht verfehlen.“
„Graving Dock? Na, wenn das mal kein passender Name ist“, sagte Konstantin.
„Das Graving Dock ist ein Trockendock,
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