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Silber

Titel: Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Savile
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dreizehn unschuldigen Menschen, die mit ihren Selbstverbrennungen in dreizehn europäischen Städten die Folge der Ereignisse losgetreten hatten, mit denen sie sich nun konfrontiert sah.
    „Letztes Jahr haben wir die Stadt durchkämmt, nachdem wir einen Hinweis von einer anonymen Quelle erhalten hatten. Wir haben zwei Männer verhaftet, von denen wir glaubten, dass sie in der Hierarchie der Ketten ziemlich weit oben standen. Doch sie waren uns in etwa so nützlich wie zwei Hundekadaver. Jeder der Dreizehn Schreie ist eine eigenständige Organisation, und sie sind so strukturiert, dass niemand weiß, wer zwei Glieder vor ihm oder zwei Glieder nach ihm in der Kette kommt. Jeder von ihnen hat die Aufgabe, eine Person zu rekrutieren, nur eine einzige, die direkt für ihn arbeitet und nur seinen Anweisungen folgt. Die Identität der Rekrutierten wird niemandem verraten – nicht einmal den Jüngern selbst – deshalb weiß niemand, wie weit verzweigt diese Gruppen tatsächlich sind, und welche hohen Ämter von ihnen infiltriert sind. Ihre Anhänger arbeiten blind.
    Diese Struktur macht es uns nahezu unmöglich, einen Angriffspunkt zu finden. Wenn wir einen von ihnen verhaften, unterbrechen wir zwar die Kette, aber es dauert nicht lange, bis ein neuer Schwanz nachgewachsen ist. Und der Rest der Kette wird einfach zum Kopf einer neuen Schlange. Stellen Sie sich vor, Sie müssten solch eine Organisation infiltrieren. Es ist Verfolgungswahn in höchster Vollendung. Darüber hinaus bedeutet es auch, dass es verdammt nochmal so gut wie unmöglich ist, sie zu stoppen. Die eine Hälfte der Zeit jagen wir unseren eigenen Schatten nach, die andere Hälfte verfolgen wir ihre. Wenn wir einen von ihnen erwischen, schneiden sie ihren Mann los und wir stehen da mit nichts in der Hand. Es ist ebenso simpel wie frustrierend.“
    Orla nickte. Sie war bei Schläferzellen in Westeuropa schon auf ähnliche Schutzmechanismen gestoßen. Das gehörte ebenfalls zur modernen Auffassung der Angst: Sie basierte auf Misstrauen. Niemand konnte sich auf den anderen verlassen. Alle rechneten jeden Moment damit, verraten zu werden, also gab es keine geheimen Verstecke und keine konspirativen Treffen, die auffliegen konnten, wie etwa bei der Schießpulververschwörung. Man konnte nur schwer verraten werden, wenn niemand wusste, wer man war – oder ob man überhaupt existierte. Jeder konzentrierte sich auf seine eigene Position in der Kette.
    Das Komische an dieser Struktur, die sich selbst durch Misstrauen schützte, war, dass man sich nur auf das Wort der eigenen Kontaktperson verlassen konnte, nicht ganz alleine in dieser Sache zu stehen. Orla wollte fragen, wie die Jünger ihre Anweisungen weitergaben, wie der Kampfbefehl über die ganze Kette lief, ohne dass es eine halbe Ewigkeit dauerte. Wie taten die Jünger ihren Willen den anderen in der Kette kund? Es war eine grundlegende Frage, und sie konnte sich nur schwer vorstellen, dass jeder Beteiligte zum Handy griff und die Nummer direkt unter seiner eigenen wählte, wie bei einer Telefonlawine. Sie hätte über diese Vorstellung fast gelacht, doch sie tat es nicht. Stattdessen fragte sie: „Dann haben die Männer, die Sie verhaftet haben, nicht geredet?“
    Die Kröte schüttelte den Kopf. „Im Gegenteil. Sie haben gar nicht mehr aufgehört, zu reden. Sie haben gebettelt. Sie haben Eide geschworen, dass sie von nichts wüssten. Wir konnten sie fast nicht mehr zum Schweigen bringen. Und unglücklicherweise haben sie die Wahrheit gesagt. Sie hatten wirklich keine nützlichen Informationen. Wir hatten gehofft, dass wir uns die Kette nach oben arbeiten könnten, sobald wir jemanden erwischt hatten, dass wir den Namen seiner Kontaktperson herausfinden könnten, den nächsten Mann in der Reihenfolge aufspüren und festnehmen könnten, ihn verhören, den Namen seines Kontaktmannes herausfinden und so weiter und so weiter.“ Die Kröte leckte sich nervös über die Lippen. Orla verspürte eine natürliche Aversion gegen Menschen, die sich ständig die Lippen leckten. Es war eine unangenehm verstohlene und nervöse Geste. „Der erste Mann auf unserer Liste trieb schon am nächsten Morgen tot in der Yarkonmündung. Die Vorstellung war bereits gelaufen, bevor sie richtig begonnen hatte.“
    Orla nickte wieder. Es erschien ihr nur logisch, dass diese Leute darauf bedacht waren, in ihren eigenen Reihen Ordnung zu halten. Wenn man die Struktur der Dreizehn Schreie bedachte, würde der Jünger selbst, oder

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