Silberband 001 - Die Dritte Macht
dem besten Willen nicht gegen diese Gedanken wehren.
Er besaß nicht das Selbstvertrauen des Freundes. Bully flüchtete sich in seinen etwas abstrakten
Humor. Es war grundsätzlich sein letzter Ausweg, wenn er mit Nachdenken allein nicht mehr
weiterkam.
Rhodan dagegen bewahrte die Beherrschung. Er ahnte, daß innerhalb des Schiffes Diskussionen im
Gang waren. Wahrscheinlich standen auch die Unbekannten vor einer verwirrenden Situation.
Natürlich wußten sie, daß sie mit den beiden Menschen spielend leicht fertig werden konnten. Ein
Knopfdruck hätte wahrscheinlich genügt.
Diese Tatsache sah Rhodan als Vorteil an. Wenn die Fremden nicht eine völlig wesensfremde
Ethik besaßen – wenn sie den Begriff Toleranz kannten, so konnten sie einfach nichts
Schlimmes unternehmen. Sie hatten nur die Wahl zwischen weiterem Stillschweigen oder der
Übermittlung eines Lebenszeichens. So wappnete sich Rhodan mit Geduld.
Bully reagierte auf seine Weise. Nach einigen Augenblicken sagte er laut und ironisch:
»Unter Ihrem Schiff stehen zwei fürchterliche Ungeheuer mit Hunger im Bauch und Durst in der
Kehle. Guten Tag. Mein Name ist Reginald Bull. Sie waren so freundlich, uns zur Notlandung zu
zwingen. Wir kommen mit der Rechnung.«
Unter anderen Verhältnissen hätte Rhodan gelacht. Jetzt war ihm nicht danach zumute, obwohl
Bullys Art durchaus nicht fehl am Platz zu sein schien.
Sie sprachen nicht mehr. Rhodan mußte sich zwingen, nicht zur Waffe zu greifen. Er kämpfte
gegen diesen unvernünftigen Instinkt an. Bully hielt seine Rak-Automatik mit den Händen
umklammert. Rhodan sah ihn an, aber sein Blick löste bei Captain Bull nur ein grimmiges
Schulterzucken aus.
Der grelle Lichtschein brach ebenso plötzlich über sie herein, wie vor einigen Stunden das
grüne Leuchten. Rhodan fuhr zusammen. Gegen seinen Willen rutschte die Automatik in seine
Armbeuge. Innerlich bebend, schob er die Waffe auf die Schulter zurück.
»Weg mit dem Ding«, befahl er Bull. »Wie oft soll ich das noch sagen?«
In der Kugelwand über ihnen hatte sich eine weite Öffnung gebildet. Daraus kam das helle
Licht. Es war vollkommen lautlos geschehen, wie jeder Vorgang auf dem Mond.
Aus der Öffnung schob sich etwas hervor. Als der Sockel den Boden berührte, faltete er sich zu
einem weiten, völlig glatten Band auf.
Rhodan schritt vorsichtig auf die schwach leuchtende Ebene zu. Dicht davor blieb er
stehen.
»Die Einladung«, sagte er gepreßt. »Keine Stufen, hm! Das Schott liegt gute 30 Meter über uns.
Hier könnte man die STARDUST aufstellen.«
»Wohl ein kleiner Intelligenztest«, schnaufte Bully nervös. Immer wieder sah er nach oben. Es
war kein Lebewesen zu sehen.
Rhodan betrat die schräge Fläche. Sie führte im Winkel von wenigstens 45 Grad nach oben. Als
er sich angehoben fühlte, streckte er instinktiv die Arme aus. Er wollte dem Gefühl des Fallens
begegnen, bis er merkte, daß er sich täuschte. Seine Schuhe berührten das Band nicht. Sie hingen
einige Millimeter über dem fluoreszierenden Material, und so glitt er nach oben, als stünde er
auf einer Rolltreppe.
Bully fluchte. Seine Hände suchten einen Halt. Auf allen vieren kam er hinter Rhodan her.
Sie wurden sanft in einem großen Raum abgesetzt. Das helle Licht blendete sie. Wieder hörten
sie nichts, als sich die Schleusen schlossen. Sie waren im Innern des fremden Schiffes.
»Kein Mensch wird uns das glauben«, flüsterte Bully. »Dabei bleibt es ungewiß, ob wir jemals
wieder mit einem reden werden. Was hast du vor?«
»Verhandeln, meinen Verstand gebrauchen. Was sonst? Die Situation erscheint nicht länger
unwirklich, wenn man die Sache als selbstverständlich auffaßt. Es ist alles nur eine
Angelegenheit der Instinkte. Versuche, sie unter Kontrolle zu bringen.«
Die ersten Geräusche wurden vernehmbar. Sie hörten das helle Zischen eindringender Luft. Es
war fraglich, ob dieses Gasgemisch für Menschen atembar war. Rhodan erkannte, daß man sie in der
Tat einem Test unterzog. Wenn er jetzt auf gut Glück hin den Helm geöffnet hätte, wäre dies
sicher als unüberlegte Handlung ausgelegt worden. Er konnte nicht wissen, was man da eingeblasen
hatte. So verharrte er untätig, bis sich die Innentore öffneten.
Sie erblickten einen hohen gewölbten Gang, der an einem fluoreszierenden Schacht endete.
Sie gingen weiter. Es gab nun nichts mehr zu überlegen. Das Schiff schien ausgestorben zu
sein. Es war eine unwirkliche Situation.
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