Silberband 002 - Das Mutantenkorps
nichts anmerken. Die Sekretärin wird Derring die gewünschten Unterlagen bringen – alte und längst überholte, selbstverständlich. Derring darf keinen Verdacht schöpfen.«
»Jawohl, Sir. Noch etwas?«
»Kein Wort zu irgendeinem Menschen, verstanden? Ich bin in zwei Stunden bei Ihnen.«
»Sie wollen selbst …«
Smith versagte die Stimme. Das war noch nie dagewesen. Allan D. Mercant, der allgewaltige Chef der westlichen Abwehr, bemühte sich wegen einer lächerlichen Kleinigkeit. Bestimmt kam dabei heraus, daß dieser Sammy Derring sich einen Scherz erlaubt hatte, weil er so ähnlich hieß wie der Verteidigungsminister. Smith erinnerte sich, daß es in den letzten Tagen um Mercant Gerüchte gegeben hatte. Es hieß, der Abwehrchef hätte sich der Dritten Macht angeschlossen.
»Ja, ich komme selbst«, bestätigte Mercant. »Und noch einmal: strengstes Stillschweigen! Sagen Sie das auch der Sekretärin. Ende!«
Smith stellte den Apparat in den Schrank zurück. Ein nachdenklicher Zug lag auf seinem Gesicht, als er die Frau ins Zimmer rief. Er bat sie, sich zu setzen. Dann meinte er sachlich:
»Sie dürfen zu keinem Menschen über den Vorfall sprechen. Es scheint, daß Mr. Derring – eh – krank ist. Vielleicht eine Art von Wahnvorstellung. Ich werde Ihnen in zehn Minuten ein Aktenbündel zuschicken lassen. Sie geben es dann Ihrem Vorgesetzten. Haben Sie verstanden?«
»Ja, aber …«
»Kein Aber! Sagen Sie Mr. Derring, die Akten seien angefordert und unterwegs. Zu keinem Menschen ein Wort darüber.«
Heimlich dachte die Sekretärin an den Abteilungsleiter, zu dem sie ja bereits einiges gesagt hatte. Aber Mantell schien sich ohnehin nicht darum kümmern zu wollen. Vielleicht vergaß er es sogar. Sie nickte.
»Gut, Mr. Smith. Ich werde es Mr. Derring sagen. Wenn er mich nur nicht wieder so merkwürdig dabei ansieht. Ich habe Angst vor ihm.«
»Unsinn, Miß …«
»Thompson. Clara Thompson.«
»Befürchten Sie nichts, Miß Clara. Ich nehme an, Mr. Derring leidet unter einer vorübergehenden Geistesstörung. Gestern war es ziemlich warm, und vielleicht hat er sich zuviel in der Sonne aufgehalten.«
Clara Thompson hielt das zwar für keine ausreichende Entschuldigung, sich plötzlich für den Verteidigungsminister zu halten, gab aber keine Antwort. Mit einem Kopfnicken verabschiedete sie sich und kehrte in ihr Büro zurück. Abteilungsleiter Mantell vergaß sie dabei völlig.
Sammy sah auf, als sie eintrat.
»Ah – Sie bringen die Unterlagen?«
»Noch nicht, Sir. Sie treffen in zehn Minuten ein.«
»Danke. Lassen Sie mich dann nicht warten.«
»In Ordnung, Sir.«
Clara war froh, die Tür schließen zu können. Immerhin, Sammy Derring hatte ganz vernünftig ausgesehen. Der seltsame Glanz in den Augen fehlte. Aber der idiotische Befehl, die geheimen Unterlagen haben zu wollen, blieb.
Zehn Minuten später brachte eine Bote die Akten. Sie waren in einer roten Mappe verpackt, die die Aufschrift trug: Streng geheim.
Clara starrte auf die Mappe. Warum machte Smith das kindische Spiel überhaupt mit? Steckte mehr dahinter als nur eine Laune?
Sie nahm die rote Mappe, klopfte an die Tür von Derrings Büro und trat ein, als sie seine Stimme hörte. Wortlos legte sie ihm die gewünschten Unterlagen auf den Tisch und sah ihn an. In seinen Augen, so bemerkte sie, glitzerte es triumphierend. Aber da war auch noch etwas anderes, das sie nicht zu deuten wußte. Etwas Fernes, Uferloses. Ihr war, als blicke sie in einen Abgrund, der so tief war, daß man durch ihn in die Ewigkeit stürzen konnte. Verwirrt wandte sie sich ab und kehrte in ihr Vorzimmer zurück.
Sammy Derring wartete, bis sich die Tür geschlossen hatte, ehe er die Mappe öffnete und begann, die Unterlagen zu prüfen. Schon der erste Blick zeigte ihm, daß seine Mission geglückt war. Da lagen sie vor ihm, die größten Geheimnisse dieser Welt – wenigstens die Geheimnisse einer Großmacht. Andere IVs würden in anderen Teilen der Welt ebenso Erfolg haben. Schon morgen würde der Kommandant wissen, welche Verteidigungsmöglichkeiten die Menschen besaßen und wo die Invasion erfolgreich angesetzt werden konnte. Denn es war nicht allein damit getan, die Körper dieser ungeschickten Zweibeiner zu übernehmen. Sie mußten selbständig bleiben, wenn auch unter dem Befehl der neuen Herren.
Während er die Akten studierte und befriedigt feststellte, daß sie die Möglichkeiten der Terraner bei weitem überschätzt hatten, verging unaufhaltsam
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