Silberband 007 - Atlan
werden, jedoch
ergibt sich bis zum Zeitpunkt der endgültigen Einigung prinzipiell eine Divergenz der
Anschauungen.
Mariis Gentner war eine glühende Verfechterin der Gerechtigkeit. Ihrer Meinung nach war der
junge Venusstaat aufbautechnisch vernachlässigt worden. Ich hatte sie nicht darüber aufgeklärt,
daß Siedler immer dieser Meinung sind. Ein absolut zufriedener Pionier ist eine undenkbare
Erscheinung.
Ich hatte sie am 15. Mai anläßlich einer Vorlesung kennengelernt.
Schon wenige Tage später hatte sie in einer öffentlichen Diskussion geäußert, meine
Gefangenschaft sei unwürdig.
Von da an hatten wir den ersten Kontakt gewonnen, der von Mariis' Seite aus zur menschlichen
Zuneigung geführt hatte.
Vor drei Tagen hatte ich alles auf eine Karte gesetzt und ihr flüsternd erklärt, an welcher
Stelle ich einen Teil meiner Spezialausrüstung versteckt hatte.
Als ich Anfang Mai in Terrania erschienen war, hatte ich natürlich für eine gute Unterbringung
meiner lebenswichtigen Geräte gesorgt. Bei meiner überstürzten Flucht mit Rhodans Raumboot war
ein großer Teil der Mikro-Aggregate zurückgeblieben.
Wenn ich nur eine bestimmte Kapsel in meinen Besitz bringen konnte, war meine Gefangenschaft
beendet. Ich hatte einwandfrei kalkuliert. Es konnte keine Versager geben, vorausgesetzt, der
unbekannte Faktor Mariis Gentner hatte positiv reagiert.
Die beiden bewaffneten Wächter tauchten wieder auf. Routinemäßig deuteten sie auf die Tür,
hinter der ein Lift zum Dachlandeplatz des Hochhauses führte.
Das war gut so. Routinemäßige Handlungen stumpfen immer ab und lassen die gebotene Wachsamkeit
einschlafen. Sogar der ewig argwöhnische Tombe Gmuna dachte sich nichts dabei, als er neben mir
in das Kraftfeld glitt.
Schwerelos schwebten wir nach oben, wo die Rotormaschine der Abwehr wartete.
Die größte und bedeutendste Raumakademie des Solaren Imperiums lag außerhalb des gewaltigen
Raumhafens.
Weit östlich konnte ich die glänzenden Dächer der Hochbauten sehen. Terrania, die erst seit 60
Jahren bestehende Hauptstadt der Erde und des kleinen Planetenreichs, wurde bereits von über 14
Millionen Menschen bewohnt.
Es war eine beeindruckende Stadt, die – wie ich zugeben mußte – in der Galaxis einen
bevorzugten Platz einnehmen würde, wenn sie den anderen Intelligenzen der Milchstraße erst einmal
bekannt geworden war. Vorerst spielte Perry Rhodan noch den toten Mann, was sich aber, meiner
Auffassung nach, sehr bald ändern würde.
Bei seinen gewagten Unternehmen, von denen ich gehört hatte, konnte eine Entdeckung nicht
ausbleiben. Bis dahin wollte ich aber nicht mehr auf der Erde sein. Mein Platz war im
Kristallpalast von Arkon I, der beherrschenden Welt der bekannten Galaxis.
Als ich in die Maschine stieg, dachte ich flüchtig daran, wie wertvoll meine unauffällige
Hilfe für die Menschen sein konnte. Hätte ich den Männern der Abwehr etwa erklären sollen, ich,
Atlan, trüge mich mit der ehrlichen Absicht, den aufstrebenden Terranern von Arkon aus helfend
unter die Arme zu greifen?
Niemand hätte mir geglaubt, zumal ja die offizielle Meinung bestand, Arkon würde von einem
Robotregenten regiert.
16.
Meine Vorlesung über arkonidische Kolonialpolitik und Galakto-Psychologie hatte
zwei Stunden beansprucht.
Anschließend hatten sich die Studenten zur Diskussion gemeldet.
Mariis Gentner, ein hochgewachsenes, dunkelhaariges Mädchen mit vollen Lippen, hatte sich
diesmal nicht in das Wortgefecht eingeschaltet. Ihre auffallende Zurückhaltung hatte ich für mich
positiv gewertet, was natürlich auch verkehrt gedacht sein konnte.
Ich hatte ihr Gesicht gelegentlich als blassen Fleck zwischen vielen anderen Gesichtern
auftauchen sehen. Dann war mir gewesen, als hätte sie mich mit den kritischen Blicken eines
Seelenarztes gemustert.
Wenn ich an sie dachte, empfand ich ein herzliches Gefühl der Zuneigung. Fast schämte ich
mich, sie zum Verrat an ihrem Volk verleitet zu haben.
Sie litt fraglos an der Kinderkrankheit aller Pioniere. Es war nicht recht von mir, sie nicht
aufzuklären. Dazu kam noch die Tatsache, daß an eine Verbindung zwischen ihr und mir überhaupt
nicht zu denken war. Sie war jung, schön und intelligent. Gegen sie war ich ein uralter Mann, der
nicht das Recht hatte, die eben erst ins Leben getretene Venusierin an sich und an sein
fragwürdiges Schicksal zu ketten.
Während ich die Zurufe der Akademieschüler beantwortete, sagte mir
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