Silberband 007 - Atlan
mein logisch arbeitender
Extrasinn, daß ja noch nichts geschehen sei. Außerdem hätte ich nicht die Absicht, Mariis'
eventuelle Hilfeleistung zum Schaden der Menschheit zu benutzen. Ich wollte nach Hause, ich
wollte der schmachvollen Gefangenschaft entgehen, das war alles.
Zehn Minuten nach zwölf Uhr brach Leutnant Gmuna die endlos werdende Diskussion ab. Ich stand
mitten zwischen den teils erregten, teils schweigend zuhörenden Studenten, die sich soeben über
die Frage stritten, ob ein wissenschaftlich und technisch überlegenes Volk wie die Arkoniden
überhaupt das Recht hatte, die Bewohner primitiver Welten gegen deren Willen in ein
Kolonisationsschema einzuordnen.
Das Für und Wider erhitzte die jungen Gemüter. Es war amüsant zu sehen, wie sehr sich die
jungen Menschen in ein Thema hineinknieten, das bereits die Köpfe des alten Arkonidenreichs
beschäftigt hatte.
Meine aufsteigende Unruhe machte mich nervös und fahrig. Ich mußte mir alle Mühe geben,
sachlich und klar zu antworten. Gmuna wäre jedenfalls sofort argwöhnisch geworden.
Es dauerte noch einige Minuten, bis Mariis an meine Seite kam. Natürlich konnte Gmuna nicht
verhindern, daß ich während der heftigen Unterhaltung immer wieder leicht angerempelt wurde. So
war es jeden Tag gewesen. Sie wollten mich, den Fremden aus den Tiefen der Milchstraße, möglichst
einmal aus nächster Nähe sehen.
Plötzlich bemerkte ich Mariis' Augen. Sie waren groß und dunkel. Diese Augen fragten und
forschten immer noch. Ich wußte, daß sie mit sich kämpfte, was mir andererseits bewies, daß sie
die von mir benötigten Gegenstände bei sich hatte.
Ich durfte sie nur kurz anblicken. Gmuna war soeben wieder dabei, die Studenten
zurückzudrängen. Diese Gelegenheit benutzte das Mädchen.
Ich hörte ihre Stimme. Sie klang leise und gepreßt. »Werden Sie mir schreiben?«
Ich nickte kaum merklich. Fast zerriß mich die innere Spannung. Mercant hatte versprochen,
mich nachmittags nochmals zu verhören. Es konnte zu unangenehmen Szenen kommen.
»Treten Sie bitte zurück, oder Sie haben heute die letzte Vorlesung gehört!« brüllte Gmuna mit
voller Stimmkraft.
»Ich melde mich«, sagte ich hastig zu ihr.
»Sie werden nicht gegen meine Leute kämpfen?«
»Mein Wort, Mariis. Ich muß nach Hause, verstehen Sie doch.«
»Wir treffen uns in Port Venus. Ich breche mein Studium ab. Einverstanden?«
Ein Kloß würgte in meiner Kehle. Plötzlich war alle Spannung von ihr abgefallen. Sie lächelte
mich frei und offen an. Unter ihrer Mappe erschien ein flacher, etwa 20 Zentimeter langer
Behälter. Ich griff fast zu hastig zu, aber niemand bemerkte mein Tun.
Eine kurze Handbewegung brachte das flache Etui unter meine lose hängende Bluse. Ich fühlte,
wie sich die beiden Saugnäpfe durch das Hemd hindurch mit meiner Haut verbanden.
Schon stand ich wieder wie unbeteiligt zwischen den Diskutierenden, die nun endlich das Feld
räumten.
Leutnant Gmuna kam wütend heran. Ich lächelte ihm in aller Ruhe entgegen. Mariis war
verschwunden. Sie hatte für die Menschheit wahrscheinlich mehr getan, als sie in diesen
Augenblicken ahnte. Für mich stand es jetzt fest, daß ich nicht mehr in mein Energiegatter
zurückkehren durfte.
Meine Notausrüstung bot nur beschränkte Möglichkeiten. Wenn ich erst einmal in dem hermetisch
abgeriegelten Haus war, konnte mir auch der Lichtwellenumlenker nichts mehr nützen.
»Kommen Sie, bitte«, sagte Gmuna reichlich laut. »Ab morgen werde ich Ihren Platz absperren
lassen. So geht es ja nun auch nicht.«
Als ich zu lachen begann, verzog er mißmutig das Gesicht.
»Sie wissen natürlich genau, daß Sie alle Sympathien auf Ihrer Seite haben. Machen Sie nur
keine Dummheiten. Ich lasse den Saal morgen wirklich absperren.«
Gmuna schien nicht zu ahnen, daß dieser Entschluß zu spät kam. Ich sah mich nochmals nach
Mariis um, aber sie war nicht zu entdecken. Wahrscheinlich machte sie sich jetzt schon schwere
Vorwürfe. Es hatte sich keine Möglichkeit geboten, ihren gewagten Entschluß durch ein längeres
Gespräch zu untermauern. Sie kannte mich nur aus den Diskussionen.
Gmuna drängte mich zum Ausgang hinüber. Die beiden Posten erschienen wieder.
Wir nahmen den kleinen Normallift hinter der Schaltwand des modern eingerichteten Lehrsaals.
Die aufgebauten Fernsehkameras streifte ich mit einem kurzen Blick. Die Vorlesungen des Arkoniden
Atlan wurden grundsätzlich übertragen, da der Saal nur 1000
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