Silberband 007 - Atlan
einzelnen Notstollen in das Innere der Felshöhlung vordringen konnte.
Nun aber, nachdem Rhodan meinen Standort aufgespürt hatte, waren all meine Zukunftspläne
nichtig geworden. Dieser grauäugige Barbar würde in allererster Linie an die durch mich
gefährdete Positronik gedacht haben. Also setzte ich eine scharfe Bewachung des wertvollen
Gehirns als selbstverständlich voraus.
Nein, meine Chance konnte nur noch im Brennpunkt der Geschehnisse liegen, nämlich in Port
Venus selbst. Ich hatte eingesehen, daß sich ein Mann meiner Art nirgends besser verstecken kann
als in einer großen Stadt mit turbulentem Betrieb. Irgendwo würde ich mich verbergen können.
Einmal würde sich die Gelegenheit bieten, auf dem Raumhafen entweder ein überlichtschnelles Boot
zu entführen oder unbemerkt auf einen Großraumer einsteigen zu können.
Schon seit Tagen hatte ich meinen Lichtwellenumlenker geschont. Jetzt schaltete ich ihn wieder
ein, da nunmehr die Gefahr einer Entdeckung bestand. Zu meiner Erleichterung waren noch keine
Flugzeuge der Verfolger zu sehen.
Frischer Mut erfüllte mich. Ich mußte Port Venus erreichen.
Wohin? fragte mein Logiksektor an. Etwa zu Mariis?
Nein, das Mädchen war für mich tabu geworden. Ich durfte sie bestenfalls einmal aus größerer
Entfernung beobachten.
Während ich immer weiter dem Flußbett folgte und jede Deckung ausnutzte, nahm ich mir vor, ein
Schreiben an Perry Rhodan zu richten und darin um Milde für Mariis zu bitten. Sicherlich hatte
dieser kluge Barbar längst erkannt, daß sie eine nur untergeordnete Rolle spielte.
Wohin in Port Venus? erkundigte sich mein Extragehirn erneut.
Ich ging in Gedanken die einzelnen Möglichkeiten durch, bis mir das große Erdmuseum einfiel.
Natürlich – warum sollte ich mich dort nicht verbergen? Die Räume waren groß und
unübersichtlich. Wenn wirklich dieser Mutant mit den seherischen Fähigkeiten auftauchte, konnte
ich immer wieder entweichen. Ich hatte auf alle Fälle die bessere Ausgangsposition für ein
blitzschnelles Zuschlagen. Wahrscheinlich würde ich ihn doch töten müssen. Wenn er nur einige
Augenblicke benötigte, um sich geistig zu konzentrieren, gab er mir damit eine gute
Angriffsmöglichkeit. Leute meiner Art lassen sich von anscheinend übernatürlichen Dingen wenig
beeinflussen.
Ich erwärmte mich immer stärker für den Plan, mich im Erdmuseum zu verstecken. Wahrscheinlich
war die Idee aber weniger logisch fundiert als vielmehr gefühlsbedingt.
Niemand kannte die Vergangenheit der Erde besser als ich. Ich hatte bereits gelebt, als die
ersten römischen Händler nach Germania kamen, um dort schmiedeeiserne Waffen gegen Gold und
Bernstein einzutauschen. Ich hatte Leif Erikson dazu verführt, immer weiter nach Westen zu
segeln, bis die nordamerikanische Küste erreicht war.
Mich lockten und bezauberten all die vielen Gegenstände, die dieses Museum enthalten mußte.
Außerdem gab es im Kellergeschoß eine Gaststätte, die meine Ernährung sichern würde.
Der Gedanke daran war eine Beruhigung für mein eigenes Gewissen. Mein Extrahirn schwieg.
Anscheinend hatte es eingesehen, daß ich ein gewisses Stadium der Müdigkeit erreicht hatte.
Wahrscheinlich gab es in meinem tiefsten Innern schon emotionelle Strömungen, die mich das
Sinnlose jeder weiteren Flucht vage erkennen ließen. Ich war körperlich und geistig jung
geblieben, jedoch ließen sich die Jahrhunderte nicht so einfach zur Seite schieben.
Sie hatten Erfahrungen und Enttäuschungen gebracht. Mein Wissen um die Dinge, überstandenes
Leid und nur unwillig aufgegebene Freuden banden mich doch viel fester an die Menschheit, als ich
es jemals zu glauben vermocht hätte.
Warum eigentlich wich ich diesen Barbaren aus? War es Eigensinn, Stolz, Traditionsbewußtsein?
Vielleicht ein gewisser Dünkel ob meiner hohen Herkunft. Zehn Jahrtausende lang war ich ein
Lehrmeister der Menschen gewesen. Ich hatte führende Köpfe geleitet und Dinge veranlaßt, die der
Geschichtsschreibung verwunderlich und kaum glaubhaft erschienen. Die Historiker fragten sich
heute noch, wie Hannibals Elefanten über die Alpen gekommen waren. Ich hatte damals die römische
Macht zerschlagen wollen, da mir an einem mit der Zeit erstarrenden Imperium nichts gelegen
war.
Als ich beinahe einen Felsen rammte, rief ich mich selbst zur Ordnung. All diese Grübeleien
waren sinnlos. Ich mußte nach Hause. Wahrscheinlich benötigte mein ehrwürdiges Volk
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