Silberband 009 - Das rote Universum
erscheinst mir etwas eigenartig. Seit wann begnügst du dich
damit, mich lediglich Spion zu nennen? Meistens kommen doch noch einige bösartige Kommentare
hinzu. Also …?«
Ich sah, daß sich seine zierlichen Hände verkrampften. Plötzlich umfaßten sie meinen Arm.
»Weißt du, wie die Zelldusche funktioniert? Ich meine – kannst du die Effekte berechnen
oder die Maschine umbauen?«
Guckys Stimme klang schriller als sonst. Er hatte sehr hastig und überraschend ernsthaft
gesprochen.
»Die technische Konzeption ist einigermaßen klar«, entgegnete ich vorsichtig. »Das Wissen über
die Funktion eines Auflösungsfelds bedeutet aber noch lange nicht, daß man auch die nachfolgenden
biochemischen Prozesse begreift. Ich …«
»Halte mich fest, wir springen zusammen«, unterbrach er mich. »Du mußt zur Duschhalle. Oh, ich
kann mich kaum konzentrieren.«
Ich bemerkte, daß er sich außerordentlich bemühen mußte. Ich fragte nochmals nach dem Grund
seiner Unruhe.
»Bully, es ist Bully«, sagte der Kleine bebend. »Mit ihm geht etwas vor. Nein, nicht so
intensiv denken. Du strahlst Störimpulse aus. Es ist für einen Teleporter sehr schwierig, dich zu
versetzen.«
Mir war, als bräche plötzlich das Ende dieser verrückten Welt an. Rhodan ließ ein schweres
Schiffsgeschütz ins Blaue feuern, und der fraglos fähigste ›Mann‹ des Mutantenkorps zitterte vor
Furcht um Reginald Bull.
Ich bezwang meine Nervosität und bemühte mich, meine Hirnstrahlungen abzuschirmen. Augenblicke
später fühlte ich ein kurzes, schmerzhaftes Ziehen. Gucky war mit mir ›gesprungen‹, wie er den
komplizierten Vorgang über den Aufbau eines individuellen Manipulationsfelds auf
fünfdimensionaler Ebene nannte.
Als ich wieder stofflich wurde, erkannte ich die Umrisse des säulenförmigen Physiotrons.
Ein hochgewachsener, hagerer Mann kam langsam auf mich zu. Rhodans Augen strahlten eine
erschreckende Kühle aus. So hatte ich ihn gesehen, als wir auf einer Wüstenwelt um unser Leben
kämpften.
Er blieb dicht vor mir stehen. Dann trafen sich unsere Blicke.
»Wie gut kannst du rechnen, Admiral?« fragte er. »Meine Kunst ist am Ende.«
Er trat einen Schritt zur Seite und gab damit den Blick auf den Zellaktivierungskonverter
frei.
Dicht vor dem farbig markierten Ring der Sicherheitszone stand ein junger Offizier mit
rostroten Borstenhaaren und weichen, faltenlosen Wangen. Ich mußte genauer hinsehen, bis ich
davon überzeugt war, Reginald Bull vor mir zu haben.
Es würgte in meiner Kehle. Schwankend schritt ich auf die Gefahrenzone zu. Der Mann mit den
wasserblauen Augen rührte sich nicht.
Ich suchte nach den scharfen Falten, die sich während der letzten Jahre auf Bulls Stirn
eingegraben hatten. Die ersten waren nach der Mondlandung entstanden, die er im Jahr 1971
zusammen mit dem Expeditionschef Perry Rhodan ausgeführt hatte. Bull würde am 14. Mai 2042 sein
hundertviertes Lebensjahr vollenden. Zur Zeit schrieben wir den 5. Mai des gleichen Jahres. Es
fehlten also nur noch wenige Tage bis zu seinem Geburtstag.
Vor 62 Jahren hatte er gleichzeitig mit Rhodan die erste Dusche auf Wanderer erhalten. Vor
fünf Tagen war er zum zweiten Male in das Physiotron gestiegen, um die unerläßliche
Zellaktivierung über sich ergehen zu lassen.
Ich riskierte noch einen Schritt, ehe ich stehenblieb. Dieser junge Mann mit den faltenlosen,
nur wenig ausgeprägten Zügen – war das Reginald Bull, Rhodans Stellvertreter?
»Reginald, sind Sie es wirklich?« fragte ich stockend.
Er bewegte kaum die vollen, weichen Lippen. Sein untersetzter, breitschultriger Körper zeigte
nahe der Hüften weniger Speck, als ich es gewohnt war.
»So habe ich ungefähr ausgesehen, als ich Mitte der sechziger Jahre von einem gewissen General
Pounder auf die neue Raumakademie geschickt wurde«, entgegnete er tonlos. »Damals war ich
siebenundzwanzig Jahre alt.«
Ich fühlte Entsetzen in mir aufsteigen. Gleichzeitig meldete sich mein vor vielen tausend
Jahren auf Arkon aktiviertes Extragehirn. Der Logiksender machte es kurz: »Vorsicht, Panne bei
der zweiten Dusche. Regenerierung, Rückwärtsentwicklung. Er wird jünger.«
Die Erkenntnis war wie ein Schlag ins Gesicht. Ich rang um meine Selbstbeherrschung. Mein
Lächeln mußte etwas kläglich wirken. Bully, wie wir ihn allgemein nannten, reagierte nicht
darauf. Ich ahnte, daß dieser tatkräftige Mann innerlich mit dem Leben abgeschlossen hatte.
Ich sah mich aufmerksam
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