Silberband 012 - Der Anti
es besser, Sie würden sich inzwischen Ihres Alarmgeräts
entledigen.«
Der Kommandant nickte, drückte mit dem Zeigefinger gegen einen kaum sichtbaren Knopf des
kleinen Kästchens und legte es vorsichtig auf den Tisch. Dann atmete er auf und setzte sich auf
seinen Stuhl. Er winkte den drei Männern zu.
»Nehmen Sie Platz. Ich will offen zu Ihnen sein. Aber gestatten Sie, daß ich am Anfang
beginne. Ich war noch sehr jung, als ich damals zum Kommandanten gerufen wurde, der mich in meine
Pflichten einweihte. Ich brachte ihn zum Konverter, wie es meine Pflicht war, und trat mein Amt
an. Seitdem bin ich einsam. Glauben Sie mir, mein Leben ist eintöniger als das Ihre, die Sie
Arbeit und Gesellschaft kennen. Mir ist nicht einmal der einjährige Urlaub vergönnt, und ich habe
keinen Nachkommen. Meine einzige Abwechslung sind die täglichen Konferenzen, die Festlegung der
Todeskandidaten und die Befehlsausgaben des Meisters. So will er angesprochen werden.«
»Wer ist der Meister, K-Eins?« fragte der Psychologe. »Haben Sie eine Ahnung, wo er lebt und
in welchem Teil des Schiffes er verborgen ist?«
Der Kommandant schüttelte den Kopf. »Leider nicht. Er zeigte sich mir nur in der Ihnen
bekannten Form. Der Bildschirm ist der einzige Kontakt zu ihm.«
»Wie konnte er einen so gewaltigen Einfluß auf Sie gewinnen?«
»Das ist leicht zu erklären, Ps-Fünf. Von Jugend an kenne ich nur das Gesicht auf dem
Bildschirm. Täglich erhielt ich meine Instruktionen, und mir wurden die grausamsten Strafen
angedroht, wenn ich nicht gehorchte. Am eindrucksvollsten jedoch war der stete Hinweis auf das
Erbe unserer Vorfahren. Ihr Wille sei es, so betonte der Meister immer wieder, daß wir unser
Leben in den Dienst des Volkes stellen, bis das Schiff sein Ziel erreicht. Was dieses Ziel ist,
erfuhr ich nie. Ich bin dem Meister nie persönlich begegnet, aber sein überlebensgroßes Bildnis
birgt so viel suggestive Kraft, daß es unmöglich ist, sich seinem Einfluß zu entziehen.
Außerdem – wer hat schon den Mut, eine uralte Tradition zu brechen?«
»Wir!« antwortete Ps-5 und nickte grimmig. »Ich kann Sie verstehen, aber es ist doch seltsam,
daß der Meister auf mich keinen so nachhaltigen Eindruck zu machen verstand. Irgend etwas an ihm
hat mich gestört. Ich weiß nicht, was es ist, aber das Bild schien mir nicht echt und lebendig
genug zu sein. Auch besteht ein gewisser Unterschied zwischen Bild und Stimme, so etwa, als
funktioniere die Übertragung nicht vollständig. Ich weiß nicht, ob ich mich technisch
verständlich ausdrücke …«
»Ich weiß, was du meinst«, sagte der Arzt dazwischen. »Ich hatte einen ähnlichen Eindruck,
aber auch ich vermag nicht zu erklären, was mir aufgefallen ist. Jedenfalls bin ich davon
überzeugt, daß irgend etwas nicht stimmt. Was meinst du, R-Fünfundsiebzig?«
»Ich kann euch nur recht geben. Leider bin ich kein Spezialist für elektronische Geräte, aber
die Männer der Mechanik-Abteilung sollten uns eine Antwort geben können.«
»Die Mechanik-Abteilung, die Maschinisten …«, sann A-3 vor sich hin. »Ja, das wäre
vielleicht eine gute Idee …«
»Du denkst an deinen Vertrauten, M-Vier?« erriet der Psychologe die Gedanken seines Freundes.
»Wahrhaftig, man sollte ihn fragen.«
Der Kommandant hatte der Diskussion verständnislos gelauscht. Für ihn mußte es eine gewaltige
Umstellung sein, das Bild des Meisters, der bisher sein unumschränkter Beherrscher gewesen war,
als ein fehlerhaftes technisches Fernsehbildnis zu betrachten, dessen Synchronisation nicht mehr
einwandfrei funktionierte.
»Ich bin nicht sicher, ob wir diesem Umstand so viel Beachtung schenken sollten …«,
begann er zögernd.
»Doch!« belehrte ihn Ps-5 bestimmt. »Ich halte es sogar für äußerst wichtig. Es besteht
nämlich durchaus die Möglichkeit, daß die Übertragungsapparatur in Ordnung ist.«
Die Männer sahen sich verständnislos an. Sie begriffen nicht, worauf er hinauswollte. Aber der
Psychologe kam nicht mehr dazu, näher darauf einzugehen, denn in diesem Augenblick summte der
Interkom.
Jemand wünschte den Kommandanten zu sprechen.
»Soll ich mich melden?«
Ps-5 nickte. »Natürlich. Wir dürfen keinen Verdacht erregen, bis wir uns über unsere Maßnahmen
im klaren sind. Vielleicht ist es nur eine Routinesache.«
Der Kommandant drückte auf einen Knopf in der Bildschirmscheibe, nachdem er aufgestanden war.
Der äußere linke Schirm leuchtete
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