Silberband 012 - Der Anti
den Milchstraßen, ein winziger Tropfen im Ozean. Es gibt nichts, womit man es vergleichen
könnte.«
»Ein Universum ohne Sterne – welcher Anblick!« Wuriu Sengu verbarg seine Angst nicht.
»Wir werden einen Himmel sehen, der ohne Sterne ist. Einen völlig schwarzen Himmel ohne
Licht.«
Rhodan sah geradeaus, aber er lächelte ein wenig. »O doch, Sengu, wir werden Licht sehen. Das
Licht von Milliarden von Sternen, zusammengeballt zu einem winzigen Stäubchen, das wie ein
verwaschener Fleck aussieht – eine fremde Milchstraße. Und wir werden nicht nur eine sehen,
sondern viele Hunderte. Ihr Licht benötigt Jahrmillionen, uns zu erreichen, manchmal sogar
Jahrmilliarden. Es sind unvorstellbare Entfernungen, die uns von ihnen trennen, und doch sind es
Sternansammlungen wie unsere eigene Milchstraße. Auch dort werden intelligente Lebewesen
existieren, die vielleicht ihre Instrumente auf unsere Galaxis richten und doch nicht mehr als
ein winziges Lichtfleckchen erkennen – bestehend aus Milliarden Sonnen, die Tausende von
bewohnten Planeten bescheinen.«
»Das Universum ist groß«, murmelte Sengu ergriffen.
»Es ist schade«, Rhodan nickte zustimmend, »daß wir nur dieses eine Wort besitzen. Es drückt
bei weitem nicht das aus, was wir zu sagen beabsichtigen. Groß ist auch ein Planet, eine
Sonne. Und das Universum ist auch nur groß. Was aber ist es wirklich?«
Sie schwiegen und starrten hinaus. Die letzten Sterne begannen nun schon schneller zu wandern
und zogen dann seitlich vorbei. Sie versanken hinter dem Schiff im milchigen Meer der weißen
Lichtwolke.
Nur der ferne Andromedanebel war geblieben. Er stand unbeweglich und unverändert in der Mitte
des schwarzen Loches, das mehr als drei Viertel des gesamten Blickfelds einnahm. Wenn man genauer
hinsah, konnte man ein elliptisches Gebilde erkennen, das im Zentrum etwas verdickt war. Trotz
der unvorstellbaren Geschwindigkeit des Schiffes vergrößerte sich diese Linse aber nicht.
»Unsere Milchstraße«, flüsterte Sengu plötzlich, der sich umgedreht hatte und nach hinten
schaute. »Mein Gott – das ist unsere Milchstraße.«
Rhodan wandte sich ebenfalls um.
Die riesige, weiße Sternenwolke schrumpfte schnell zusammen. Es war, als fiele die Ballung der
Millionen Sonnen in einen bodenlosen Abgrund hinein. Man konnte sehen, wie sie kleiner wurde.
»Mehr als ein Lichtjahr in der Sekunde«, murmelte Rhodan. Seine Stimme zitterte unmerklich.
Seine rechte Hand ruhte auf der Schulter des Mausbibers, der sich ruhig verhielt und von dem
Anblick so erschüttert war, daß er kein Wort mehr hervorbringen konnte. So hatte Rhodan seinen
kleinen Freund noch nie gesehen.
»Ich glaube, wir träumen«, meinte Sengu genauso leise wie zuvor. »Das kann doch keine
Wirklichkeit sein.«
»Unser Erlebnis bewegt sich auf der Grenze zwischen Traum und Wirklichkeit«, erwiderte Rhodan
gepreßt. »Wir werden später nicht mehr sagen können, was Traum und was Wirklichkeit war. Eins
aber ist sicher: Wir sind körperlich hier und fliegen durch das Universum. Wir sehen mit unseren
Augen das, was wirklich geschieht. Also ein echter Traum ist es nicht, was wir erleben. Aber auf
der anderen Seite …«
Seine Stimme endete in einem Seufzer. Dann schwieg er.
Er hätte nicht gewußt, was es noch zu sagen gab.
Auf ihren Uhren vergingen drei Stunden.
Die eigene Milchstraße war in der Unendlichkeit versunken und zu einem großen milchigen Fleck
mit zerfasertem Rand geworden. Deutlich waren die Spiralarme zu erkennen, die hinein in die
Schwärze des leeren Raumes griffen. Irgendwo stand auch die Sonne des Planeten Terra.
Der Andromedanebel hatte sich kaum verändert. Er war nur unmerklich näher gerückt.
Sonst war das Universum bis auf winzige und kaum sichtbare Sternnebel leer. Es war dunkel und
schwarz, einsam und tot.
Der Anblick legte sich wie ein Alpdruck auf die beiden Männer und den Mausbiber.
»Drei Stunden«, sagte Rhodan einmal. »Dabei haben wir schätzungsweise eine Strecke
zurückgelegt, für die das Licht hunderttausend Jahre benötigen würde.«
Niemand antwortete ihm. Drei Stunden hatten zwar genügt, die Galaxis zu einem Nebel werden zu
lassen, aber sie waren nicht genug gewesen, die Erschütterung Sengus und Guckys abklingen zu
lassen.
Die Minuten vergingen schwer und langsam. Zögernd nur tropften sie in das Meer der Zeit, das
seine Bedeutung verloren zu haben schien.
Plötzlich war es Rhodan, als ginge ein Zittern
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